Und keiner wird dich kennen
dir nicht ab, dass du nicht weißt, wie lange ihr in Gießen gelebt habt oder dass du seit einer Woche herumläufst wie in einem rosa Traum, nur weil deine Mutter bald einen Buchvertrag hat.«
Es ist so weit. Ihre Fehler haben sie eingeholt. Sie war eine miese Schauspielerin und jetzt erhält sie die Quittung. Maja kommt sich vor wie in einem Aufzug, dessen Halteseile gerissen sind, der ungebremst in die Tiefe stürzt.
»Stimmt, das war auch nicht der wirkliche Grund«, gibt sie zu, ihr ganzer Körper fühlt sich matt und kraftlos an.
»Dann sag mir bitte den echten, denn so geht es irgendwie nicht weiter.« Stella zieht die Schultern hoch und versenkt die Hände in den Jackentaschen. »Man fühlt sich ja sonst ein bisschen verarscht, du verstehst, was ich meine?«
Maja muss die Zähne zusammenbeißen. »Ich will dich nicht verarschen. Du bist schließlich so was wie ... meine beste Freundin geworden.«
Damit hat sie sich etwas aus dem Fenster gehängt. Kann ja sein, dass Stella ihre beste Freundin ist, aber sie nicht Stellas. Doch als Stella sich ihr zuwendet, sieht Maja den Schmerz in ihrem Gesicht. Nein, sie ist nicht irgendjemand für Stella! »Ich mag dich total, Alissa. Bitte sag mir die Wahrheit.«
Maja begegnet ihrem Blick und eine unendliche Trauer breitet sich in ihr aus. Ja, sie wird Stella verlieren, wenn sie jetzt nicht offen mit ihr ist. Aber sie hat schon viel zu viel preisgegeben, geht ohnehin ein so hohes Risiko ein durch ihren Kontakt mit Lorenzo. Das darf nicht weitergehen, sonst ist bald nicht mehr viel übrig von ihrem Inkognito!
»Ich kann es dir nicht sagen.« Mit aller Kraft versucht Maja, die Tränen zurückzuhalten. »Wenn ich das tue, bringe ich meine Familie in Gefahr.«
»Wieso das?« Stella ist verblüfft, sie verlangsamt ihre Schritte, bleibt fast stehen. Hoffentlich denkt sie jetzt nicht, dass Maja sich nur wichtigmachen will!
»Hast du schon einmal etwas von Zeugenschutzprogrammen gehört?«, fragt Maja leise.
»Heilige Scheiße – ihr seid in einem ...?« Stella fällt die Kinnlade herunter.
»Nicht so richtig. Es ist eher Opferschutz. Wir müssen nicht vor Gericht erscheinen, denn das Problem ist, dass sie gegen den Typen, der uns verfolgt, nicht viel in der Hand haben. Jedenfalls reicht es nicht, um ihn wieder in den Knast zu bringen.«
Jetzt hat sie es doch getan. Jetzt weiß Stella Bescheid. Wird ihr das noch mal leidtun? Schließlich kennt sie Stella erst seit ein paar Wochen und weiß nicht wirklich, wie sie so drauf ist. Kann sie ein Geheimnis bewahren oder nicht? Wird sie herumerzählen, was sie herausgefunden hat, oder es für sich behalten? Stella redet gerne, sie kennt jede Menge Leute, wird sie in diesem Fall wirklich den Mund halten? Maja kommt sich vor, als tanze sie auf zu dünnem Eis. Hat sie eben den einen entscheidenden Fehler gemacht, der sie alle den Kopf kosten wird?
»Das bedeutet ... du heißt eigentlich gar nicht Alissa?«
»Stimmt.«
Es kostet Stella nur ein paar Sekunden, die Puzzleteile zusammenzusetzen. »Der Name, der in diesem Buch stand ...«
»Du musst es geheim halten«, bittet Maja sie beunruhigt. Es macht ihr eine Höllenangst, dass es jetzt jemanden in dieser Stadt gibt, der ihren wirklichen Namen kennt. » Richtig geheim . Niemand darf es wissen. Versprichst du mir das?«
»Ich will auf keinen Fall, dass ihr in Gefahr geratet. Von mir erfährt es niemand.« Feierlich legt Stella die Hand auf ihr Herz. »Wow, jetzt wird mir so manches klar. Zum Beispiel, warum du so fotoscheu bist. Sonst könnte er ja im Internet ...«
»Genau.« Wie schräg, dass dies genau die Methode war, mit der Lorenzo sie damals gefunden hat. »Aber du kannst dir vorstellen, dass das nicht einfach ist für mich. Ganz neu anzufangen und so. Wir mussten den Kontakt zu allen früheren Freunden und Verwandten abbrechen.«
»Wie gruselig.« In Gedanken versunken, geht Stella schneller, wahrscheinlich ohne es zu wollen. »Ich kann mir vorstellen, dass das furchtbar schwer für dich war.«
»Ist es immer noch. Null Freunde auf Facebook, sage ich nur.« Maja hat ebenfalls ihre Schritte beschleunigt. Ein kleiner Ast trifft sie ins Gesicht, hinterlässt eine brennende Spur auf ihrer Wange. »Aber ich bin jetzt gar nicht mehr auf Facebook, zu gefährlich.«
Stella hält abrupt an, wendet sich Maja zu. Ihre Augen blitzen, wahrscheinlich sprudeln in ihrem Hirn schon wieder irgendwelche Ideen. »Eins ist klar – wenn ich euch irgendwie helfen kann, dann mache
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