Und keiner wird dich kennen
stellen?«
»Es gibt noch eine andere Möglichkeit«, sagt Stella geheimnisvoll. »Nämlich Tarnung pur!«
Darauf fällt Maja nur ein »Hä?« ein. Doch als sie die riesige Faschingskiste im Keller der Familie Findeisen sieht, weiß sie Bescheid. Probeweise zieht sie sich eine schwarze Perücke über, mit der sie aussieht wie ein Bobtail, der länger nicht mehr geschoren worden ist. Während Stella noch in der Kiste wühlt, kombiniert Maja die Perücke schon mit einem Shirt, das wahrscheinlich Stellas Vater gehört hat, denn es hängt ihr bis zu den Knien. Mitten auf der Brust ist eine rote Sonne aufgedruckt, von der breite rote und gelbe Streifen in alle Richtungen strahlen.
»Echt grell«, sagt Stella ehrfürchtig, kramt nach Schminkzeug und verpasst Maja das dazu passende Styling, das im wesentlichen ebenfalls rot-gelb ist. Dazu schiebt sie Maja eine große, sehr dunkel getönte Sonnenbrille auf die Nase. Mit diesem Ding wirkt sie vermutlich nicht mehr wie ein Bobtail, sondern wie ein It-Girl, das in einen Farbtopf gefallen ist. Aber Stella sieht zufrieden aus. »Dein eigener Bruder würde schreiend vor dir davonlaufen. So darf ich dich aber fotografieren, oder?«
Maja wirft einen Blick in den Spiegel und ächzt. Das da ist weder ein Bobtail noch ein It-Girl, sondern ein Alien! »Ja, okay.«
Für sich selbst hat Stella eine ähnliche Perücke und ein vergleichbares Shirt – nur in grün-rosa – gefunden. »Partner-look, das ist gut«, sagt sie zufrieden. »Eine Band sollte ein einheitliches Erscheinungsbild haben. Jetzt brauchen wir nur noch Künstlernamen.«
»Also, zu dir passt gerade HotPink ziemlich gut«, meint Maja.
Stella verzieht das Gesicht. »Eigentlich mag ich die Farbe Rosa gar nicht. Aber Opfer müssen gebracht werden.«
»Und was meinst du, hast du Vorschläge für mich?«
»Sunbeam? Sunrise? Nee, alles zu langweilig«, überlegt Stella. »Aber irgendetwas mit Sonne wäre schon gut, das Motiv ist einfach nicht zu übersehen.«
Nach einem intensiven Brainstorming steht fest, dass Maja vorerst unter dem Namen SunBurn auftreten wird.
Stella hat schon einen Rap-Text geschrieben – einen Song darüber, wie es ist, neu auf der Schule zu sein. Maja fühlt sich geschmeichelt: Noch nie hat jemand über sie einen Song geschrieben. Stella liest ihr gleich mal den ersten Part vor:
Ja, genau, ich bin hier fremd
Glotz mich an, soviel du willst
Bin ja schließlich nicht verklemmt
Sag mir nur, mit wem du chillst
»Klingt gut – aber ein bisschen so, als würde ich nackt zur Schule gehen«, sagt Maja, und Stella muss lachen. »Stimmt. Porno-Queen von Olching!«
Sie beugen sich über den Schreibtisch, um gemeinsam weiter am Text zu arbeiten, bis alles passt.
»Am besten, wir spielen erst den Soundtrack ein und dann performen wir dazu«, schlägt Stella vor und holt ihre E-Gitarre. Maja improvisiert ein Schlagzeug aus Töpfen, einem Hocker, Kochlöffeln und einem Schneebesen. Nach zwei Stunden haben sie den Vier-Minuten-Track endlich hingekriegt und sich eine Pause verdient. Sie werfen sich aufs Bett, essen Chips und knabbern rohe Karotten dazu. Mit Stellas Lieblingsgetränk Mangosaft runtergespült, schmeckt das klasse.
Dann geht es weiter, sie üben die Choreografie des Songs ein und die richtigen Rapper-Handbewegungen.
Ja, genau, ich bin hier fremd
Glotz mich an, soviel du magst
Hast meine Ankunft wohl verpennt
Quatsch mich ruhig an, wenn du’s wagst
Maja kommt es vor, als hätte sie seit Ewigkeiten nicht mehr so viel gelacht.
»So, jetzt wird’s ernst«, sagt Stella und kann eine ihrer Schwestern überreden, den Rap mit der Videokamera aufzuzeichnen. Doch der erste Dreh geht schief, weil Su sich das Lachen nicht verkneifen kann und dadurch das Bild verwackelt. »Sollen wir Heftpflaster holen?«, fragt Stella seufzend. »Für den Mund. Sonst ist die Aufzeichnung voller Gegacker.«
»Nee, ich schaff das schon«, verspricht Su. Nach vier Anläufen ist das Video dann im Kasten.
»Und, was ist, laden wir es hoch?«, fragt Stella mit einem Blick auf Maja. Maja zögert kurz. Es ist bestimmt okay, auf dem Video ist sie absolut nicht zu erkennen, weder als Maja noch als Alissa. Und der Künstlername verrät nichts. Nur in der Schule werden sie erzählen, wer wirklich hinter HotPink und SunBurn steckt. Diejenigen, die sie kennen, können es sich ohnehin denken: Stella und sie ziehen seit der Party bei Ben in der Pausenhalle herum, als wären sie an den Armen zusammengewachsen. »Ja, laden
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