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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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fuhr.
    «Weil er so klein war.»
    «Das ist der Wirt des Maiden’s
Arms auch.»
    «Ja, aber Flynn liebte
Guinness.»
    «Was zum Kuckuck hat denn das
damit zu tun?»
    «Hab ich vergessen. Ich — äh —
bin ein bisschen daneben.»
    Lewis hielt vor der Wohnung
seines Chefs.
    «Kann ich irgendwas für Sie
tun, Sir?»
    «Aber nein. Ich bin nur
plötzlich so herrlich schläfrig. Es ist zwar noch ziemlich früh, aber rufen Sie
mich heute Abend nicht mehr an, wenn nicht etwas ganz Dramatisches passiert.»
    «Soll das heißen...» Lewis ging
das Herz auf. «...Soll das heißen, dass Sie den Fall übernehmen?»
    «Das ist eine ganz andere
Geschichte.»
    «Soll ich dem Super Bescheid
sagen?»
    «Der weiß es schon. Ich hab’s
ihm auf der Müllkippe gesagt.»
    Lewis schüttelte halb ratlos,
halb nachsichtig den Kopf, während Morse sich anschickte auszusteigen.
    «Die da nehme ich mit — nur vorübergehend
natürlich. Und wenn Sie in Erfahrung bringen könnten, wem sie gehört...»
    Er steckte die Parsifal -Kassette
ein und war schon auf dem Sprung zur Haustür, als Lewis das Wagenfenster
herunterkurbelte.
    «Behalten Sie die Kassette,
solange Sie wollen, Sir, aber wenn Sie sie nicht mehr brauchen, hätte ich sie
gern zurück. Die bei Blackwell haben gesagt, es wäre eine Top-Aufnahme. Von
einem Typ namens Napperbush.»
    «Soll das heißen...?»
    Lewis nickte vergnügt.
    «Ihr seid ein Mann von
Geschmack.»
    «Ich dachte, es würde Sie
freuen, Sir.»
    «Nur beiläufig, Lewis: Der Mann
heißt K-napper-t-s-busch», korrigierte der Chief Inspector, pedantisch die
Konsonantenanhäufung trennend.
     
     
     
     

Kapitel
30
     
    Häufig
wüsste der Schwerhörige die Antworten, hätte er die Fähigkeit, die Fragen zu
hören. Ebenso könnte ein phantasieloser Mensch verständige Vermutungen über die
Antworten anstellen, wenn er genug Verstand hätte, sich die entsprechenden
Fragen vorzulegen.
    (Viscount
Mumbles,
    aus Essays on the Imagination)
     
    Während Lewis ins Präsidium
fuhr, überlegte er, wie so oft, warum seine Denkprozesse so viel
unbefriedigender abliefen als die von Morse, von dem er sich gerade getrennt
hatte und der jetzt zweifellos die Nachwirkungen eines selbst für Morse
ungewöhnlich stark alkoholisierten Nachmittags durch eine Mütze voll Schlaf zu
beheben suchte. Es war nicht so, dass er, Lewis, viel langsamer dachte, aber
bis er mit seinen Gedanken aus den Startlöchern kam, war Morse unweigerlich
längst losgesprintet. Natürlich schenkte ihm seine angeborene Intelligenz einen
wichtigen Vorsprung, verbunden mit schneller Auffassungsgabe, analytischem
Denken, der Fähigkeit, Querverbindungen zwischen bestimmten Dingen
herzustellen. Morse hatte aber darüber hinaus das Talent des vorausschauenden
Denkens, die Gabe, nach vorn zu sehen, sich die richtigen — und auch manchmal
die falschen — Fragen zur künftigen Entwicklung zu stellen und Antworten darauf
zu finden, seien sie nun richtig oder falsch.
    Bei früheren Fällen hatte Morse
häufig, indem er ihn zu den richtigen Fragen veranlasst hatte, die richtigen
Antworten zutage gefordert. «Sokratische Dialektik» hatte Morse das genannt und
Lewis erzählt, wie Sokrates aus einem völlig unbedarften jungen Sklaven nur
dadurch, dass er ihm die richtigen Fragen stellte, die Grundprinzipien der
Planimetrie herausholte.
    Und deshalb stellte sich Lewis
am frühen Abend in seinem Büro vor, er säße Morse — oder vielmehr Sokrates —
gegenüber.
     
    Sie müssen den Wagen finden,
der die Leiche abgeladen hat. Wo werden Sie suchen?
    Keine Ahnung.
    Wohin hätten Sie den Wagen
gebracht?
    Keine Ahnung. Irgendwohin eben.
    Haben Sie nicht Blut an Ihren
Sachen? Viel Blut?
    Ja.
    Dann müssen Sie sich also
umziehen.
    Ja.
    An einer beliebigen Stelle
können Sie demnach den Wagen nicht abstellen. Mit all dem Blut an den Sachen
kämen Sie nicht weit.
    Nein.
    Wohin also würden Sie fahren?
    Wahrscheinlich nach Hause.
    Bevor Sie den Wagen stehen
lassen oder danach?
    Vorher wahrscheinlich,
allerdings...
    Ja?
    Wahrscheinlich war das ein
bisschen riskant. Den Nachbarn würde wohl der fremde Wagen auffallen.
Vielleicht sogar die blutbefleckten Sachen.
    Welche Alternative hätten Sie?
    Ich könnte mich irgendwo
verabreden und mir neue Sachen bringen lassen.
    Wo würden Sie sich treffen?
    Irgendwo. Was weiß ich. Nur...
    Ja?
    Angenommen, wir würden uns auf
einem Rastplatz treffen, müsste ich den Wagen da stehen lassen. Ich könnte mich
nicht wieder reinsetzen, weil ich dann

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