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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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Konzert- und Opernbesuche in der Hauptstadt und eine
entsprechend späte Heimkehr waren im Hause Lewis nicht üblich. Jetzt aber, am
Tag und bei Sonnenschein, wirkte das Areal völlig unschuldig, und die
inzwischen nicht mehr ganz legitime Parkfläche stand voller Autos.
    «Was ist, wenn man hier keinen
Parkplatz mehr findet?», fragte Lewis.
    «Dann wird’s kritisch. Man kann
es immer noch in Gloucester Green versuchen...».Evans machte eine unbestimmte
Handbewegung zur Hythe Bridge Street hinüber, «...oder in einer der
Nebenstraßen.»
    Sie gingen zusammen zur
Nordseite des Parkplatzes hinüber, die laut Sergeant Evans Schurken früher gern
aufgesucht hatten, um einen belastenden Wagen abzustellen. Doch jetzt hatte
sich das Bild geändert. Hohe, mit Videokameras und Flutlicht bestückte Pfosten
umstanden die Baustelle, die zwar keine hundertprozentige Sicherheit boten,
aber eine wirksame Abschreckung für Gelegenheitsdiebe darstellten.
    «Ein, zwei Wagen bekäme man
noch rein», bemerkte Lewis, der die hohe Kunst des Einparkens beherrschte wie
kaum einer, und deutete auf ein paar Quadratmeter zwischen Sandbergen und
Haufen von kaputten Backsteinen und Dachziegeln.
    «Nicht, wenn einem was an der
Federung liegt.»
    «Ihm hat bestimmt nichts dran
gelegen, Dick.»
    «Nichts zu sehen, was?»
    Ebenso systematisch wie
erfolglos schritten sie die Reihen bis zum Südende des von der Botley Road
begrenzten Parkplatzes ab.
    Die Fragen, mit denen sich
schon Morse herumgeschlagen hatte, machten jetzt auch seinem Sergeant zu
schaffen. Handelte es sich tatsächlich um kriminelle Aktivitäten? Befanden sie
sich auf einer sinnlosen Jagd nach einer fragwürdigen Beute?
    So, wie du dir das denkst,
Freund Morse, läuft das einfach nicht!
    Im Grunde ging es bei jeder
polizeilichen Ermittlung um mehr oder minder feststehende Fakten; um das
Zusammentragen und Verdichten dieser Fakten zu einem harten Kern von
Beweismitteln; dank derer ließ sich ein Verdacht nach und nach so weit
erhärten, dass Anklage erhoben und ein Gerichtsverfahren eingeleitet werden
konnte. Jawohl, so lief das!
    Entmutigt blieb Lewis noch
einen Augenblick bei Evans stehen. Dann ging er zur Ausfahrt, wo sich immer
wieder die rot-weiß gestreifte Schranke hob, um Parkplatzbesucher
herauszulassen, die ihre Münze eingeworfen hatten. Von dort kam ein uniformierter
Transportpolizist, der sichtlich nicht in körperlicher Bestform war, im
Laufschritt auf sie zu.
    «Was, zum Teufel, machst du
hier, Dick?»
    «Bin grad von Reading zurück,
Bob. Und was, zum Teufel, ist mit dir los? Du kennst Sergeant Lewis vom
Präsidium?»
    Mitchell war wieder
einigermaßen zu Atem gekommen. «Präsidium? Da hat grad einer angerufen, der hat
auch gesagt, er ist vom Präsidium. Es ging um einen Wagen. Der wär hier am
Bahnhof geparkt, hat er gesagt.»
    «Da war er aber nicht», stellte
Evans fest.
    «Nein. Aber ich hab gedacht,
ich seh mich mal ein bisschen um. Hat sich angehört, als ob der Typ weiß, wovon
er redet. Also bin ich rüber nach Gloucester Green, und da stand er. Gleich
hinter dem irischen Pub.»
    «Haben Sie die Nummer von dem
Typ?», fragte Lewis.
    «Im Büro. Er kann nicht kommen,
hat er gesagt, er wär zu müde. Haha.»
    «Er muss doch seinen Namen
genannt haben.»
    «Moss oder so ähnlich. Ich will
nur eben...»
    Ein zeitweilig verjüngter
Mitchell stürmte, drei Stufen auf einmal nehmend, die Stufen hoch, während
Evans sich Lewis zuwandte.
    «Da muss er sich verhört
haben.»
    «Aber nicht sehr», sagte Lewis
resigniert.

Kapitel
32
     
    Falls
ein junger oder älterer Polizeibediensteter beim Anblick eines besonders
belastenden Tatorts Anzeichen von Übelkeit verspürt, sollte er das nicht
unbedingt einer individuellen psychologischen Anfälligkeit zuschreiben, sondern
einer praktisch universell auftretenden Reflexreaktion der oberen
Verdauungsorgane.
    (Handbuch
der Spurensicherung, Neufassung 1999)
     
    Barry Edwards gehörte zu den
Spurensicherern, die an diesem geschäftigen Samstag im Einsatz waren. Weil er
ganz in der Nähe, in der Botley Road, wohnte, traf er als Erster seines Teams am
Tatort ein. Er war Ende zwanzig, hatte dunkles Haar, eine gute Figur und
schüchterne braune Augen, die nach Meinung etlicher seiner Kollegen so naiv
blickten, dass sie befürchteten, er würde aus dem Staunen über die
Merkwürdigkeiten seines neuen Berufs nie so recht herauskommen.
    Er hatte die Ausbildung erst
vor ein paar Monaten beendet, war nun der Thames Valley Police

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