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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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fuhr, mit großem Genuss das Vorspiel
zu Wagners Parsifal an, während Morse, wie er glaubte, in einen festen,
wenn auch geräuschlosen Schlaf verfallen war.
    «Biegen Sie hier ab, Lewis.»
    «Die nächste Ausfahrt ist
besser, Sir, da umgehen wir den Stadtverkehr.»
    «Biegen Sie hier ab!»
    Lewis bog gehorsam ab, fuhr —
jetzt sehr gesetzt — die Abingdon Road hinunter, vorbei an Christ Church, durch
Cornmarket und Magdalen Street 1 und hielt sich gehorsam an der Ampel am
Martyrs’ Memorial links. Dann bremste er gehorsam in dem durch eine doppelte
gelbe Linie gekennzeichneten Parkverbot unter dem Baldachin des Hotels Randolph, über dem an diesem Spätnachmittag kein Lüftchen den Union Jack und die
Europaflagge bewegte.
    Lewis fühlte sich immer noch
mutig. «Der Super hatte vorhin vielleicht gar nicht so Unrecht. Denken Sie
nicht, dass Sie...»
    «Genau dazu bin ich
hergekommen. Wie kann ich denken, wenn man mir keine Gelegenheit dazu gibt?
Oder glauben Sie, dass ich ausschließlich zum Vergnügen trinke?»
     
    Morse lehnte sich mit seinem
Bier zurück und betrachtete mit heiterer Miene das gegenüberliegende Ashmolean Museum.
«Zeigen Sie mir irgendwo in Großbritannien eine Bar mit schönerer Aussicht...»
    Lewis zögerte, den Orangensaft
in der Hand. «Verraten Sie mir jetzt, woher Sie wussten, dass es Paddy Flynn
war?»
    «Gewusst habe ich es nicht,
aber dieser Flynn beschäftigte mich schon die ganze Zeit. Immerhin war er unser
wichtigster Zeuge. Er hat Frank Harrison vom Bahnhof abgeholt und dann genau in
dem Moment vor dem Haus geparkt, als die Alarmanlage losging.»
    Lewis nickte. «Der Einzige, der
Harrison ein überzeugendes Alibi liefern konnte.»
    Auch Morse nickte. «Deshalb hat
Strange ihn ja auch vernommen.»
    «Zweimal.»
    «Ein überaus argwöhnischer
Mensch!»
    «Aber Sie haben mir immer noch
nicht gesagt, wie Sie darauf gekommen sind, dass er es war.»
    «In unserem Beruf ist man immer
wieder auf Vermutungen angewiesen. Nach den ersten Tagen habe ich von dem Fall
nur aus zweiter Hand erfahren...»
    «Genau wie ich.»
    «...aber ich weiß noch, dass
ich dachte, dass einige der Außenseiter durchaus eine Wette wert wären. Der
Maurer, der sich und ein paar anderen ein Alibi lieferte. Der Wirt vom Maiden’s
Arms mit dem Testosteronspiegel eines geilen Ziegenbocks. Und eben der
Taxifahrer...»
    «Und warum?»
    «Versetzen Sie sich in seine
Lage. Sie nehmen vor dem Bahnhof Ihren Fahrgast auf und fahren ihn nach Lower
Swinstead. Dort werden Sie gefragt, ob Sie sich eine kleine — oder auch eine
größere — Summe dazuverdienen wollen. Viel wird von Ihnen dafür nicht verlangt.
Der Typ sagt, er wird ins Haus gehen — das im Übrigen ihm gehört —, und dann
wird die Alarmanlage losgehen. Sie brauchen auf Befragen nur zu sagen, Sie
hätten, als Sie draußen parkten, die Alarmanlage gehört. Das ist ja gar nicht
mal so weit hergeholt, denn inzwischen schlug die Alarmanlage tatsächlich an.
Man bietet Ihnen... was weiß ich... zwanzig, dreißig Pfund? Zwei-, dreihundert
Pfund? Der springende Punkt ist, dass Flynn nicht begriffen hat, wie wichtig
seine Aussage einmal sein würde.»
    «Spinnen Sie sich das alles
zusammen?»
    «Ja. Lassen Sie mich noch ein
bisschen weiterspinnen. Wieso er für so gut wie nichts so dicke Gelder bekommt,
ist Flynn also zunächst ein Rätsel. Dann aber liest er die Zeitung, zählt —
anders als unsere lieben Kollegen — zwei und zwei zusammen und grinst sich
eins, denn jetzt weiß er natürlich, was Sache ist. Und weil ihm sehr schnell
aufgeht, dass er dumm genug war, sich geradezu sträflich billig zu verkaufen,
beschließt er, ein bisschen draufzusatteln.»
    «Wenn ich Sie recht verstehe,
soll das heißen, dass er versucht hat, Frank Harrison zu erpressen.»
    Morse leerte sein Glas. «Mit
Bestimmtheit kann ich das natürlich nicht sagen, aber ich möchte wetten, dass
ein gewisser Jemand in dieser Nacht nur zu gern bereit war, sich mit Geld aus
einer bösen Klemme zu befreien.»
    «Oder auch ein gewisser
weiblicher Jemand?»
    «Auch möglich, ja.» Morse
guckte in sein leeres Glas. «Ihre Runde oder meine?»
    «Ihre.»
    Morse sah auf seine Armbanduhr.
«Himmel noch mal! Höchste Zeit, dass Sie mich nach Hause bringen. Ich muss mich
spritzen, Lewis. Sie hätten mich erinnern müssen.»
     
    «Sie haben mir immer noch nicht
gesagt, wie Sie auf Flynn gekommen sind», beschwerte sich Lewis, als er durch
das Einkaufsviertel von Summertown in Richtung Norden

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