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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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antworten konnte,
läutete das Telefon, und sie ging in die Diele. «Hallo?»
    …
    «Da sind Sie hier falsch!»
    …
    « Da sind Sie hier falsch .»
    Hatte sie nicht vielleicht ein
bisschen zu schnell aufgelegt?
    «Hoffentlich keine sexuelle
Belästigung?»
    «Nein.»
    «Ich prüfe es vorsichtshalber
mal nach. Sicher ist sicher.» So rasch, dass sie ihn nicht daran hindern
konnte, griff Morse zum Hörer, wählte den 1471 — Service, über den man die
Nummer des jeweils letzten Anrufers erfahren kann, und notierte sie.
    Debbie Richardson hatte ihn
schweigend gewähren lassen, tat aber jetzt unmissverständlich ihre Meinung über
die neuesten Entwicklungen in der Telekommunikation kund. «Wird bald ‘ne heikle
Kiste sein, telefonisch eine heimliche Affäre durchzuziehen.»
    Morse lächelte belustigt über
diese unvermutet treffende Bemerkung. «Sie werden also hier bleiben?»
    Debbie Richardson sah ihn voll
an. «Sie können ja ab und zu mal nachsehen kommen, Inspector.»
    Einen Moment standen sie noch
unter der Haustür.
    «Komisch ist das... Zuerst
kriegt man es gar nicht richtig mit. Aber es stimmt, nicht? Er ist tot. Harry
ist tot.»
    Morse nickte. «Aber Sie kommen
schon damit zurecht, das haben Sie ja selber gesagt. Sie sind ein starkes
Mädchen.»
    «Herrgott noch mal. Die ganze
Zeit hat er darüber geredet, dass er wieder mit mir ins Bett gehen will. Die
Zeit ist ihm verdammt lang geworden. Und mir auch.»
    «Das verstehe ich.»
    «Wirklich?»
    Ihre Wangen waren jetzt trocken
und ohne Tränenspuren. Doch Morse wusste, dass sie vermutlich Vergils «Tränen
der Welt» ebenso nachvollziehen konnte wie er, und empfand in diesem kurzen
Augenblick echtes Mitleid mit ihr. Sanft legte er ihr die rechte Hand auf die
Schulter, dann ging er langsam über den laienhaft betonierten Gartenweg zur
Straße.
    Als Morse wieder im Wagen saß,
sah er Sergeant Dixon erwartungsvoll an.
    «Na?»
    «Oben ist das Licht
ausgegangen, kaum dass Sie geklingelt hatten, Sir.»
    «Bestimmt?»
    «Da könnt ich drauf schwören.»
    «Hat jemand das Haus
verlassen?»
    «Höchstens durch den
Hinterausgang.»
    «Was ist mit den Wagen, die
hier geparkt sind?»
    «Ich hab sie aufgeschrieben,
wie Sie gesagt haben. Die meisten gehören Anwohnern, ich hab’s im Präsidium
gecheckt.»
    «Die meisten?»
    «Da hinten stand ein alter
Volvo. Der ist jetzt nicht mehr da.»
    «Und?»
    Dixon lächelte so selig, als
sähe er einen Teller mit Krapfen vor seinem geistigen Auge. «Fahrzeughalter ist
jemand aus Lower Swinstead. Wer? Das raten Sie nie. Der Wirt des Maiden’s
Arms.»
    Morse nahm diese Mitteilung
ohne übermäßige Verwunderung entgegen, gab Dixon die Telefonnummer des bislang
unbekannten Anrufers, der sich gerade bei Debbie Richardson gemeldet hatte, und
hörte das Gespräch mit, das Dixon mit dem Präsidium führte.
    Der Anruf war aus Lower
Swinstead gekommen.
    Aus dem Maiden’s Arms.
     
     
     
     

Kapitel
35
     
    Dumm
nur, dass es so schwierig ist, den Körper gesund zu erhalten, ohne dabei die
Gesundheit der Seele zu zerstören.
    (G.
K. Chesterton)
     
    Als Morse am Montag, dem 27.
Juli, um zwanzig nach neun im Warteraum des Diabeteszentrums Oxford in der
Radcliffe-Klinik saß, dachte er an die unkoordinierten, hektischen
Ermittlungen, die viele seiner Kollegen den gestrigen Tag hindurch beschäftigt
hatten. Er selbst hatte sich an der Beschaffung der auf diese Weise
zusammengetragenen Daten nicht beteiligt, da ihm ein schwerer und überaus
anhänglicher Kater zu schaffen machte. Deshalb hatte er dem Alkohol für den
Rest seines Lebens feierlich abgeschworen und sein Abstinenzlerdasein auch sehr
viel versprechend begonnen, bis ihm am frühen Abend sein Hirn signalisierte,
dass er den derzeit anhängigen Fall nie würde lösen können, wenn er sich nicht
— wenigstens in Maßen — von seinem getreuen Glenfiddich dabei helfen ließ.
    Mehrere Schlüsselfakten schienen
jetzt mehr oder weniger gesichert. Paddy Flynn war am vergangenen Freitag gegen
Mittag erstochen worden, Harry Repp zwei, drei Stunden später in ganz ähnlicher
Weise zu Tode gekommen. Flynn war höchstwahrscheinlich auf der Stelle tot
gewesen, Repps Ende hatte sich länger hingezogen. Er hatte offenbar stark
geblutet, wie man an den Spuren über der älteren Schicht auf der Rückbank sah,
und war vermutlich an dem Blutverlust gestorben. Auf jeden Fall war er tot
gewesen, als irgendjemand irgendwo das unappetitliche Bündel in den Kofferraum
gewuchtet hatte. Eine Waffe hatte

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