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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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es
wäre gut, wenn Sie — zumindest in diesem Jahr — auf monatlichen
Nachuntersuchungen bestehen würden. Ich lege die entsprechenden Laborwerte bei.
    Schöne
Grüße von Haus zu Haus
    mit
besten Wünschen
    Ihr
    Professor
R. C. Turner
    PS:
Wie ich höre, hat er sich das Rauchen abgewöhnt. Und noch etwas hat er sich
abgewöhnt: mir zuzuhören.
     
     
    Morse zog sich langsam die
Socken an, als Sarah Harrison zurückkam.
    «Eins muss man Ihnen lassen:
Sie haben sehr ordentliche Füße.»
    «Freut mich, dass Sie doch was
Positives an mir gefunden haben.»
    Da Morse sich gerade die Schuhe
zuschnürte, entging ihm das verständnisvolle Autblitzen in den großen braunen
Augen.
    «Neugierig?» Sarah Harrison
deutete auf die Akte.
    Morse nickte. «Aber keine
Sorge: Professor Turner hat mir auch eine Kopie geschickt.»
    «Tja, wenn das so ist, wären
wir mehr oder weniger...» Sie stand auf.
    «Bitte.» Morse deutete auf den
Stuhl, und sie setzte sich gehorsam wieder hin. «Warum haben Sie nichts von den
Morden gesagt?», fragte er. «Es stand in allen überregionalen Blättern.»
    «Wenn Sie es unbedingt wissen
wollen: Gestern hab ich sechs Zeitungen gekauft.»
    «Ihr Vater und Ihr Bruder —
Simon, nicht wahr...? Wissen die beiden Bescheid?»
    «Ich habe Simon länger nicht
gesehen.»
    «Sie hätten ihn anrufen
können.»
    «Simon ruft man nicht an. Er
ist sehr schwerhörig, wie Sie sicher wissen.»
    «Und Ihr Vater?», wiederholte
Morse.
    «Ich... also... den habe ich
tatsächlich letzte Woche gesehen. Er hat bei mir übernachtet.»
    «Wann?»
    «Am Mittwoch und Donnerstag. Am
Freitag ist er wieder nach London gefahren.»
    «Um welche Zeit?»
    «Sind Sie der Großinquisitor?»
    «Ich werde dafür bezahlt,
solche Fragen zu stellen, das ist Ihnen hoffentlich klar.»
    «Gut gekontert! Er ist nicht
mit dem Wagen gekommen, in Oxford ist ja das Parken hoffnungslos, aber welchen
Zug er genommen hat, weiß ich nicht.»
    «Warum haben Sie ihn nicht zum
Bahnhof gebracht?»
    «Ich konnte nicht.»
    «Hatten Sie Dienst?»
    «Nein. Ich hatte mir für
Donnerstag und Freitag frei genommen. Es war ein Resturlaub. Wie bei Dad.»
    «Und warum haben Sie ihn dann
nicht zum Bahnhof gebracht?»
    Die braunen Augen funkelten.
«Sehr einfach. Am Abend davor war er mit mir im Le Petit Blanc in der
Walton Street, wir haben toll gegessen und viel zu viel getrunken — vorher,
dabei und nachher. Ich habe mich besoffen wie ein Matrose, und dann habe ich so
viele Tabletten geschluckt, dass sogar Sie gestaunt hätten, und versucht,
meinen Rausch auszuschlafen. Und als ich mich am nächsten Tag um elf oder halb
zwölf mühsam nach unten geschleppt hatte, lag ein Zettel auf dem Küchentisch.

Oder etwas in dem Sinne.»
    «War auf dem Zettel eine
Uhrzeit angegeben?»
    «Nicht dass ich wüsste.»
    «Haben Sie ihn aufgehoben?»
    «Natürlich nicht. Schließlich
war es keine hohe Literatur.»
    «Seien Sie mir nicht böse»,
sagte Morse freundlich, als er aufstand und das Sprechzimmer verließ. Er bekam
zwei blaue Karten mit, auf denen zwei Termine für die Abnahme von Blutproben
vermerkt waren und die Aufforderung, in acht Wochen erneut zur Untersuchung zu
erscheinen.
    Nachdem sich die Tür hinter ihm
geschlossen hatte, wählte Sarah mit der 9 eine Amtsleitung und dann eine
Telefonnummer.
    «Hallo? Hallo? Könnten Sie mich
bitte mit Simon Harrison verbinden?»

Kapitel
36
     
    Dr.
Franklin zeigte mir, dass die vereinten Flammen von zwei Kerzen ein viel
stärkeres Licht geben, als wenn man beide getrennt brennen lassen würde. Das lässt
sich sehr schön demonstrieren, indem man sich die beiden Kerzen dicht vors
Gesicht hält, erst getrennt und dann zusammen.
    (Joseph
Priestley, Optiks)
     
    Während er vor der Kabine für
die Blutprobenabnahme wartete, überlegte Morse, ob und wie Sarah Harrison an
den schrecklichen Ereignissen des vergangenen Wochenendes beteiligt gewesen
war. Natürlich gab es da Möglichkeiten (für Morse gab es immer Möglichkeiten),
und ein paar Minuten beschleunigte sein Hirn schnell und mühelos in einen
zusätzlichen fünften Gang. Aber halt mal! Strange hatte nicht zu Unrecht darauf
hingewiesen, dass die simpelste Lösung häufig die richtige ist. Und wie sah
diese simpelste Lösung aus? Lewis würde es wissen, und in solchen Situationen
brauchte Morse die Unterstützung seines Sergeant, der im Leben — wenn auch
nicht immer auf der Straße — eher im unteren

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