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Und kurz ist unser Leben

Und kurz ist unser Leben

Titel: Und kurz ist unser Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Dexter
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schienen sie viel heller zu leuchten
als jede für sich.
    Ein Schild erbat eine
angemessene Spende, und Morse warf eine Ein-Pfund-Münze in den Wandschlitz
hinter dem heiligen Antonius. Ein kleines Bier. Gerade noch rechtzeitig fiel
dem Heiligenverehrer wider Willen ein, dass er ja den Einsatz verdoppelt hatte,
und er schob eine zweite Pfund-Münze nach. Ein großes Bier.
    Als er zur St. Giles
hinunterging, stellte dieser Mann, der praktisch überhaupt nicht an den
Allmächtigen und noch weniger an Wunder glaubte, sehr verwundert fest, dass ihm
die letzten Minuten wie im Fluge vergangen waren. Es war jetzt kurz nach elf,
und als rechter Hand das Bird and Baby auftauchte, dessen Tür offen
stand, trat er ein.

Kapitel
37
     
    Feind
hört mit.
    (Spionagewarnung
im Zweiten Weltkrieg)
     
    Männer,
die ein gepierctes Ohr haben, sind für die Ehe besser gerüstet, finde ich. Sie
haben erlebt, was Schmerz ist, und haben Schmuck gekauft.
    (Rita
Rudner)
     
    Fünf Tage nachdem Morse darauf
verzichtet hatte, an der kostenfreien Verlosung eines Wunders teilzunehmen,
stand um die Mittagszeit Tom Biffen im Maiden’s Arms in Lower Swinstead
und stützte die tätowierten Arme auf den Tresen. Bis jetzt war für einen
Samstag nicht viel Betrieb, nur die beiden Alten saßen schon geifernd und
zankend am Cribbage-Brett, und der blasse, gepiercte Knabe mit dem fettigen
Haar kämpfte mit dem Daddelkasten.
    Zwanzig Minuten später kam der
vierte Gast.
    «Das Übliche?»
    Der Neue nickte und zählte das
Geld auf den Tisch. Der weiße Van auf dem Parkplatz gab kurz und knapp Auskunft
über seinen Beruf: «J. Barron, Maurer- und Malerarbeiten».
    «Heute nicht bei Debbie, John?»
    «Na, hör mal! Am Tag nach der
Beerdigung?»
    «Stimmt ja. Hast du sie
gesehen, seit Harry...»
    «Nein. Letztes Wochenende wär
ich sowieso nicht hingegangen, da wollte ich sie in Ruhe lassen. Wenn einer
grad erst rausgekommen ist...»
    «Genau.»
    Plötzlich stand der Knabe mit
dem fettigen Haar, einen Zehn-Pfund-Schein zwischen Zeige- und Mittelfinger der
rechten Hand, neben Barron.
    «Du nimmst mir mein ganzes
Kleingeld weg«, beschwerte sich Biffen, während er den Schein in zehn
Ein-Pfund-Münzen aus der Kasse einwechselte.
    «Da bleibt nicht viel für die
Flitterwochen», meinte der Maurer. Aber der junge Mann hatte sich, ohne die
Bemerkung zu hören oder zu beachten, wieder der vielleicht ersten großen Liebe
seines Lebens zugewandt.
    Am Tresen wurden leise ein paar
vertrauliche Bemerkungen ausgetauscht.
    «Wann soll die Hochzeit sein,
Biff?»
    «Heute in fünf Wochen.»
    «Nettes Mädel?»
    «Nicht übel. Zahnarzthelferin
in Oxford.»
    «Ist gut, wenn wenigstens eine
in der Familie verdient.» Der Maurer wandte sich halb dem Spielautomaten zu.
«Von so was wird keiner reich.»
    «Höchstens die Firma», bemerkte
der Wirt.
    «Höchstens Tom Biffen»,
bemerkte einer der Cribbage-Spieler.
    Der Wirt knurrte vor sich hin.
    Wenn einer erst mal Ende
siebzig ist, suchen ihn alle möglichen Gebrechen heim — von Schwerhörigkeit und
Arthritis bis zu Glatzköpfigkeit, Rheuma, Hämorrhoiden, Inkontinenz, Impotenz,
grauem Star und Altersdemenz. Eins allerdings wusste der Wirt genau: Das erste
Leiden auf dieser Liste plagte seine beiden Stammgäste nicht.
    Er senkte die Stimme. «Warst du
im Krematorium?»
    «Nein. War ja nur die engste
Familie, und zu der gehör ich nicht.»
    «Ich dachte, Maurer und
Klempner gehören überall zur Familie, erst recht so ein strammer Junge wie du.»
    «Junge?»
    Was der Wirt gesagt hatte, war
nicht mal so verkehrt. John Barron war groß und gut gebaut, hatte dunkles,
kurzgeschorenes Haar und angenehme Züge und sah entschieden jünger aus als
einundvierzig. Sein so freimütig wirkendes Lächeln gefiel allen Damen am Ort —
mit Ausnahme seiner Frau, die nicht frei von Eifersucht war.
    «Was machst du eigentlich für
Debbie?»
    «Hinter der Küche hat sie eine
dieser alten Kohlenkammern und ein altes Klo, da mach ich einen Raum draus, damit
sie die Waschmaschine reinkriegt. Hinterher muss neu gefliest, die Wände müssen
verputzt werden, neue Elektroleitungen... das Übliche eben.»
    «Nur an den Wochenenden...»
    «Na ja...»
    «Bisschen Schwarzarbeit? Bar
auf die Hand, was?»
    Um Barrons Mund lag jetzt ein
unangenehmer Zug, aber er gab keine direkte Antwort. «Ich hab gedacht, ich
würd’s fertig kriegen, bis Harry rauskommt.»
    «Armer Teufel. Der hat sich
bestimmt schon gefreut auf... du weißt schon was. Leckeres Mädchen,

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