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Und manche liebe Schatten steigen auf

Und manche liebe Schatten steigen auf

Titel: Und manche liebe Schatten steigen auf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Reinecke
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Gesellschafter, der aus dem Stegreif reizende, geistsprühende Reden hielt und nicht nur die französische, sondern auch die italienische Sprache wie seine Muttersprache beherrschte. Er hat niemals im Trüben gefischt und hat sich immer bestrebt, andere zu fördern. Und doch! - Aber wie klein ist überhaupt die Zahl derer, deren Name lange fortlebt! Dem ausübenden Musiker – wie dem Mimen - ist die Nachwelt selten dankbar. Freilich, einige wenige epochemachende Virtuosen, wie Paganini, Liszt, Spohr, Jenny Lind, haben die Unsterblichkeit erlangt. Aber wer außer den Fachleuten weiß jetzt noch etwas von einst gefeierten Spielern wie Steibelt, Iwan Müller, Briccialdi, Drouet (von dem Mendelssohn sogar gesagt hat, dass er das größte Virtuosengenie sei, das ihm je vorgekommen), von Lafont oder Bärmann, etc.? Ja, selbst von Virtuosen neueren Datums, wie Leopoldine Blahetka, Bendel, Gottschalk, Prume, Jaell, Max Bohrer u. a., weiß die große Menge kaum noch etwas. Ähnlich ergeht es den Dirigenten, die sich nicht zugleich anderweitig betätigen. Und wer jetzt etwa glauben sollte, dass die in der Gegenwart hochberühmten Musiker, welche ausschließlich als Kapellmeister fungieren, auch noch in späteren Jahren genannt werden, den fragen wir, ob er heute noch z.B. von Guhr, Habeneck, Girard, Pasdeloup reden hört? Und wenn man von Friedrich Schneider, Lachner, Spohr, Mendelssohn oder Otto Nicolai spricht, so gedenkt man ihrer als Komponisten, nicht als hochbedeutender Dirigenten, die sie doch auch waren. So kann der Nachruhm in den meisten Fällen nur dem schaffenden Künstler zuteil werden. Da aber der Geschmack und selbst das Empfinden der Menschen mit der eilenden Zeit sich überraschend schnell wandelt, so werden auch nur die   schaffenden Künstler, welche ihrer Zeit vorauseilten, solchen Nachruhms teilhaftig. Wer an sich Gutes und Schönes geleistet und geschaffen hat, ohne jedoch in erster Reihe zu stehen oder gestanden zu haben, der muss sich in Demut darüber klar sein, dass er sich schon glücklich preisen darf, wenn er seinen Zeitgenossen hie und da durch seine Werke Freude bereitet hat, und dass es schon etwas besagen will, wenn sich auch nur einige seiner Werke bis über seinen Tod hinaus retten, und wärs auch nur auf beschränkte Zeit. Trösten soll er sich damit, dass – wie Hiller einmal so hübsch gesagt hat – das Komponieren für ihn doch die größte Lebensfreude ist und daneben den großen Vorzug hat, kein Geld zu kosten. Man solle aber diese bescheidenen Künstler, zu denen auch Hiller zu rechnen ist, nicht, wie dies heutzutage sogar viel bedeutenderen begegnet, mit Geringschätzung behandeln oder gar mit Spott und Hohn übergießen. So ist der Zweck dieser wenigen Zeilen, zur gerechten Würdigung dieses bedeutenden Mannes beizutragen, dem ich einige Jahre hindurch nahe gestanden habe.
         Als ich im Jahre 1843 zum ersten Male nach Leipzig kam, dirigierte Hiller die Gewandhaus-Konzerte, und um in einem derselben auftreten zu dürfen, musste ich vor ihm eine Probe meines Könnens ablegen. Es geschah, und wenige Tage darauf erhielt ich von ihm die Einladung, im Konzert am 16. November zu spielen. Nur eine Konzertsaison hindurch hat Hiller in Leipzig dirigiert. Bald darauf siedelte er nach Dresden über, wo er intimen Verkehr mit Robert Schumann, Berthold Auerbach, Robert Reinick, Eduard Bendemann und anderen hervorragenden Künstlern pflegte. Dort fand er auch Gelegenheit, seine Opern „Ein Traum in der Christnacht“ und „Conradin“ zur Aufführung zu bringen. Dass Hiller später als städtischer Kapellmeister nach Düsseldorf und im Jahre 1850 in gleicher Stellung nach Köln berufen wurde, ist bekannt. Bis zu dieser Zeit war ich nur ab und zu mit ihm in Berührung gekommen. Aber im Jahre 1851 traf ich ihn in Paris, und dort machte er mir den Vorschlag, an der neubegründeten Rheinischen Musikschule, dem jetzigen Kölner Conservatorium, als Lehrer des Klavierspiels zu wirken. Es war die erste, wenn auch bescheidene, feste Stellung, die mir angeboten wurde, seitdem ich meine Stellung als dänischer Hofkomponist infolge der Schleswig-Holsteinischen Erhebung aufgegeben hatte. Dankend nahm ich das vertrauensvolle Anerbieten an und habe es auch niemals zu bereuen gehabt. Hiller war als Direktor der Musikschule ein überaus wohlwollender Vorgesetzter, und im Übrigen erwies er sich als ein ungewöhnlich anregender und gänzlich neidloser älterer Kollege. Wenn ich absehe von dem, was ich

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