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Und morgen bist Du tot

Und morgen bist Du tot

Titel: Und morgen bist Du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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ansteigenden Wohnstraße. Über die Bäume hinweg, hinter denen sich die London Road und die Bahnlinie verbargen, blickte man auf die eleganten Traumhäuser und weitläufigen Gärten an der Withdean Road, die auf der anderen Seite des Tals lagen. In ihrer Straße waren alle Häuser in den 1930er Jahren nach dem gleichen Schema erbaut worden: drei Schlafzimmer, weiche Linien mit einem Hauch von Art déco, der ihr immer gefallen hatte. Sie besaßen kleine Vorgärten, eine Garage und großzügige Grundstücke.
    Die Vorbesitzer waren ein älteres Ehepaar gewesen, und als Lynn einzog, hatte sie große Pläne mit dem Haus gehabt. Doch in sieben Jahren hatte sie es sich nicht einmal leisten können, die schäbigen alten Teppiche herauszureißen, ganz zu schweigen davon, Wände zu durchbrechen und den Garten neu zu gestalten. Frische Farbe und neue Tapeten, mehr war nicht drin gewesen. Die düstere Küche roch noch immer nach alten Leuten, trotz aller Bemühungen mit Lufterfrischern und Potpourris.
    Eines Tages, hatte sie sich versprochen. Eines Tages.
    Dann würde sie sich auch ein kleines Atelier im Garten bauen. Sie malte leidenschaftlich gern Aquarelle von Brighton und feierte erste Erfolge damit.
    Sie schloss die Haustür auf und trat in die enge Diele. Sie schaute die Treppe hinauf und fragte sich, ob Caitlin schon aufgestanden war. Von oben war nichts zu hören.
    Schweren Herzens ging sie die Treppe hinauf. An Caitlins Zimmertür klebte ein großes, handgeschriebenes Schild mit roten Buchstaben auf weißem Hintergrund: Bitte klopfen. Es hing dort, solange sie denken konnte. Lynn klopfte.
    Keine Antwort, wie üblich. Caitlin schlief entweder oder dröhnte sich über Kopfhörer die Ohren zu. Sie ging hinein. Das Zimmer sah aus, als hätte man die Möbel mit einem Bulldozer durchs Fenster gekippt.
    Irgendwo inmitten des Durcheinanders aus Kleidung, Kuscheltieren, CDs, DVDs, Schuhen, Make-up, einem überquellenden rosa Papierkorb, einem umgekippten rosa Hocker, Puppen, einem Mobile aus blauen Schmetterlingen, Einkaufstüten von Top Shop, River Island, Monsoon, Abercrombie and Fitch, Gap und Zara und einer Dartscheibe, an der eine violette Federboa hin, befand sich das Bett. Caitlin lag auf der Seite in einer der ungewöhnlichen Positionen, in denen sie zu schlafen pflegte. Sie hatte Arme und Beine angezogen, ein Kissen über dem Kopf, der nackte Po und die Oberschenkel schauten unter der Decke hervor. In ihren Ohren steckten die Stöpsel des iPod, der Fernseher lief. Irgendeine Wiederholung von The Hills.
    Sie sah aus wie tot.
    Einen furchtbaren Moment lang glaubte Lynn, es könnte wahr sein. Sie stürzte zum Bett, wobei sie sich im Aufladekabel des Handys verfing, und berührte den langen, schlanken Arm ihrer Tochter.
    »Ich schlafe«, knurrte Caitlin.
    Erleichtert atmete Lynn auf. Durch die Krankheit schlief ihre Tochter sehr unregelmäßig. Sie setzte sich lächelnd auf die Bettkante und streichelte Caitlins Rücken. Mit der kurzen schwarzen Gelfrisur sah sie manchmal aus wie ein Biegepüppchen, dachte sie. Groß, dünn, fast mager, schlaksig. Sie schien biegsame Drähte statt Knochen zu haben.
    »Wie fühlst du dich?«
    »Es juckt.«
    »Möchtest du frühstücken?«, fragte sie hoffnungsvoll.
    Caitlin war nicht magersüchtig, aber kurz davor. Sie war von ihrem Gewicht besessen, hasste Nahrungsmittel wie Käse oder Nudeln, die sie als Fettbomben bezeichnete, und stieg ständig auf die Waage.
    Caitlin schüttelte den Kopf.
    »Ich muss mit dir reden, Liebes.« Sie sah auf die Uhr. Fünf nach zehn. Gestern bei der Arbeit hatte sie gesagt, sie werde später kommen. Gleich musste sie anrufen und sich für den ganzen Tag abmelden. Der Arzt hatte am Nachmittag nur eine winzige Lücke im Terminplan, um mit Caitlin zu sprechen.
    »Ich hab zu tun«, knurrte ihre Tochter.
    Plötzlich verlor Lynn die Geduld und riss ihr die Stöpsel aus den Ohren. »Es ist wichtig.«
    »Reg dich ab, Frau!«
    Lynn biss sich auf die Lippe und schwieg einen Moment. Dann sagte sie: »Ich habe für heute Nachmittag einen Termin bei Dr. Hunter. Um halb drei.«
    »Du machst mich fertig. Ich bin heute Nachmittag mit Luke verabredet.«
    Luke war ihr Freund. Er studierte irgendetwas IT-mäßiges an der University of Brighton, das er ihr nicht verständlich hatte erklären können. Lynn hatte in ihrem Leben viele Idioten kennengelernt, aber Luke war einer der schlimmsten. Caitlin war seit über einem Jahr mit ihm zusammen. In diesem Jahr hatte Lynn

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