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Und morgen bist Du tot

Und morgen bist Du tot

Titel: Und morgen bist Du tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter James
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dicken blauen Pulli über einem blauen Hemd, Jeans und schwere Arbeitsstiefel. Der erste Maat wachte über den Computermonitor, auf dem das Abbaugebiet markiert war.
    Marshall klickte auf das Funkgerät und beugte sich zum Mikrophon. »Hier Arco Dee, Mike Mike Whiskey Echo.« Als sich die Küstenwache meldete, gab er seine Position durch. Sie arbeiteten in einer der am stärksten befahrenen Schifffahrtsstraßen der Welt, in der die Sicht durch häufigen Nebel bis auf wenige Meter sinken konnte. Daher war es wichtig, die Positionen sämtlicher Schiffe ständig zu aktualisieren.
    Wie seine sieben Mannschaftskameraden, die schon lange zusammenarbeiteten, hatte Malcolm Beckett die See im Blut. Er war ein rebellischer Teenie gewesen und von zu Hause weggegangen, sobald ihn die Royal Navy nahm. Bei seiner Ausbildung zum Ingenieur hatte er mehrere Jahre auf See verbracht. Doch während seine Kameraden irgendwann eine Karriere auf Hochseeschiffen starteten, hatte er nach der Geburt seines ersten Kindes Caitlin nach einer Arbeit gesucht, bei der er auf See sein und dennoch ein Familienleben führen konnte.
    Das Baggern war die perfekte Lösung gewesen. Sie blieben nie länger als drei Wochen auf See und kehrten zweimal am Tag in den Hafen zurück. Wenn das Schiff hier vor Shoreham oder in Newhaven lag, konnte er gelegentlich sogar für eine Stunde nach Hause fahren.
    Der Kapitän verlangsamte das Tempo. Malcolm checkte Motorumdrehungen und Temperaturanzeige und sah auf die Uhr. In etwa fünf Stunden hätten sie wieder Handyempfang. Lynns Anruf hatte ihn sehr beunruhigt. Er hatte Caitlin immer als schwieriges Kind empfunden, hing aber sehr an ihr und erkannte sich oft in ihr wieder. An seinen Besuchstagen beschwerte sie sich gern über ihre Mutter, was er ziemlich amüsant fand, da sie genau die gleichen Punkte nannte, die auch ihn an Lynn aufgeregt hatten. Vor allem ihre übertriebene Sorge. Allerdings musste er zugeben, dass Caitlin ihnen seit Jahren tatsächlich Anlass zur Sorge gab.
    Diesmal klang es schlimmer denn je und ließ ihm keine Ruhe, zumal sie das Gespräch nicht zu Ende geführt hatten. Er war tief besorgt.
    Mal zog Helm und Leuchtjacke an, verließ die Brücke und stieg über die steile Metalltreppe auf den Niedergang und von dort aufs Hauptdeck. Er spürte, wie der scharfe Winterwind an seinen Kleidern zerrte. Schließlich erreichte er eine Position, von der aus er das Absenken des Saugrohrs beobachten konnte.
    Einige ehemalige Kollegen von der Marine, mit denen er gelegentlich einen trinken ging, witzelten gern, dass Baggerschiffe nichts anderes als schwimmende Staubsauger seien. Sie hatten nicht unrecht. Die Arco Dee war tatsächlich ein 2000 Tonnen schwerer Staubsauger. 3500 Tonnen, wenn der Beutel voll war.
    An der Steuerbordseite war das Saugrohr angebracht, eine über dreißig Meter lange Röhre aus Stahl. Für Malcolm war es immer einer der Höhepunkte jeder Fahrt, wenn das Rohr in den schlammigen Tiefen des Meeres verschwand. In diesem Augenblick schien das Schiff erst richtig zum Leben zu erwachen. Das plötzliche Scheppern, mit dem die Pump- und Schüttmaschinen ansprangen. Das Wasser wurde aufgewirbelt. Bald würden Sand und Kies in den Laderaum prasseln und den Bauch des Schiffes in einen brodelnden Hexenkessel voll schlammigen Wassers verwandeln.
    Manchmal stießen sie auf etwas Unerwartetes, eine Kanonenkugel, Teile eines Flugzeugs aus dem Zweiten Weltkrieg oder – das war besonders haarig gewesen – eine alte Bombe, die den Saugkopf verstopfte. Im Laufe der Zeit waren so viele historische Artefakte vom Meeresboden aufgebaggert worden, dass man offizielle Richtlinien aufgestellt hatte. Doch für das, was die Arco Dee an diesem Tag heraufbeförderte, gab es keine Richtlinie.
    Wenn der Laderaum voll war, lief das Wasser durch die Überlauföffnungen ab und hinterließ im Schiffsbauch eine Art Strand voller Sand und Kies. Auf der Rückfahrt ging Malcolm gern darauf herum und ließ die Muschelschalen unter seinen Füßen knacken. Manchmal stieß er auf einen glücklosen Fisch oder eine Krabbe. Vor einigen Jahren hatte er etwas gefunden, das später als menschliches Schienbein identifiziert wurde. Noch immer konnte er sich wie ein Kind für die Geheimnisse des Meeres und vor allem des Meeresbodens begeistern.
    *
     
    In etwa zwanzig Minuten würden sie das Saugrohr einholen. Malcolm legte eine kurze Pause in der leeren Messe ein. Er hatte sich auf das verschlissene Sofa gesetzt und hielt einen

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