Und morgen in das kühle Grab
meinte, dass ein
Bagel mit frisch gebrühtem Kaffee ein ausgezeichnetes
zweites Frühstück abgeben würden.
Das Lokal war klein und gemütlich, es fehlten weder die
typischen rot-weiß karierten Gardinen noch die an der
Wand hinter der Theke aufgereihten Teller, auf denen
Hennen mit ihren Küken abgebildet waren. Zwei ältere
Männer waren gerade dabei, aufzubrechen. Die
Bedienung, ein richtiges kleines Energiebündel, räumte
ihre leeren Tassen weg.
Sie sah auf, als ich die Tür öffnete. »Suchen Sie sich
einen Tisch aus«, forderte sie mich mit einem Lächeln auf.
»Ost, West, Nord oder Süd.« Auf dem Namensschild ihrer
Uniform war »Call me Milly« zu lesen. Ich schätzte, dass
sie ungefähr das Alter meiner Mutter haben musste, aber
im Gegensatz zu meiner Mutter hatte Milly grellrote
Haare.
Ich wählte einen Tisch in einer Nische im Eck, an dem
ich meine Zeitungen ausbreiten konnte. Noch bevor ich
mich niedergelassen hatte, stand Milly mit ihrem
Bestellblock bereit. Und nur wenige Augenblicke später
standen Kaffee und Bagel auf meinem Tisch.
Spencers Flugzeug war am 4. April abgestürzt. Die
älteste Zeitung, die ich gekauft hatte, trug das Datum des
9. April. Auf der Titelseite war ein Foto von ihm. Die
Schlagzeile lautete: »Nicholas Spencer vermutlich tot.«
Der Artikel gedachte des Kleinstadtjungen, der es zu
etwas gebracht hatte. Das Foto war erst kürzlich
aufgenommen worden, am 15. Februar, als man Spencer
eine zum ersten Mal von der Stadt vergebene
Auszeichnung »für herausragende Verdienste« verliehen
hatte. Ich rechnete nach – vom 15. Februar bis zum 4.
April. Als er die Auszeichnung bekam, hatte er noch
genau siebenundvierzig Tage auf diesem Planeten zu
leben. Ich frage mich oft, ob Menschen es spüren, wenn
ihre Zeit zu Ende geht. Ich glaube, bei meinem Vater war
es so. Er wollte spazieren gehen an diesem Morgen vor
acht Jahren, aber meine Mutter hat mir erzählt, er sei an
der Haustür zögernd stehen geblieben, dann sei er noch
einmal zurückgekommen und habe sie auf die Stirn
geküsst.
Drei Häuserblocks weiter bekam er einen Herzanfall.
Der Arzt meinte, er sei tot gewesen, noch bevor er zu
Boden gesunken sei.
Nicholas Spencer lächelte auf dem Foto, aber sein Blick
schien nachdenklich, ja sogar bekümmert zu sein.
Auf den ersten vier Seiten der Zeitung wurde nur über
ihn berichtet. Es gab Fotos, die ihn als Achtjährigen in der
Baseball-Junioren-Liga zeigten. Er war Pitcher bei den
Caspien Tigers gewesen. Auf einem anderen Bild war er
im Alter von etwa zehn Jahren mit seinem Vater im
Laboratorium des Elternhauses zu sehen. Auf der
Highschool war er Mitglied der Schwimmmannschaft
gewesen – auf dem Foto posierte er mit einer Trophäe. Ein
weiteres zeigte ihn in einem shakespeareschen Kostüm, in
der Hand etwas, was wie ein Oscar aussah – er war bei der
Theateraufführung der Abschlussklasse zum besten
Schauspieler gewählt worden.
Das Bild von ihm mit seiner ersten Frau, aufgenommen
an ihrem Hochzeitstag, verschlug mir den Atem. Janet
Barlowe Spencer aus Greenwich war eine schlanke,
blonde Frau mit zarten Gesichtszügen gewesen. Zu sagen,
sie sei eine Doppelgängerin von Lynn gewesen, wäre
übertrieben, aber ohne Zweifel war die Ähnlichkeit
zwischen ihnen auffallend groß. Ob seine Verbindung mit
Lynn etwas mit dieser äußeren Ähnlichkeit zu tun hatte?
Es waren Nachrufe von einem halben Dutzend Leute aus
dem Ort abgedruckt, darunter ein Anwalt, der sich als
seinen besten Freund an der Highschool bezeichnete, ein
Lehrer, der von seinem Wissensdurst schwärmte, und eine
Nachbarin, die mitteilte, er habe sich immer freiwillig
angeboten, Besorgungen für sie zu machen. Ich zückte
mein Notizheft und notierte ihre Namen. Sicherlich würde
ich ihre Adressen im Telefonbuch finden, falls ich es für
notwendig erachtete, sie zu kontaktieren.
Die Ausgabe der darauf folgenden Woche meldete, dass
der Impfstoff, den Spencers Firma als endgültiges
Heilmittel gegen Krebs angekündigt hatte, ein Fehlschlag
war. In dem Artikel stand, der Vorstandsvorsitzende von
Gen-stone habe eingeräumt, dass man die frühen Erfolge
voreilig publik gemacht hätte. Das den Artikel begleitende
Foto von Nick Spencer schien ein offizielles Firmenbild
von ihm zu sein.
Die vor fünf Tagen erschienene Ausgabe brachte
dasselbe Foto von Spencer, jedoch mit einer anderen
Schlagzeile:
»Spencer der Millionenunterschlagung verdächtig.« Im
Weitere Kostenlose Bücher