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Und morgen in das kühle Grab

Und morgen in das kühle Grab

Titel: Und morgen in das kühle Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Artikel wurde durchweg das Wort »mutmaßlich«
verwendet, aber in einem Leitartikel hieß es, die Stadt
hätte besser daran getan, ihm einen weiteren Oscar als
bestem Schauspieler zu verleihen als die Medaille für
»herausragende Verdienste«.
»Call me Milly« bot an, mir Kaffee nachzuschenken. Ich
nahm dankend an und sah, dass sie vor Neugier große
Augen machte, als sie die aneinander gereihten Bilder von
Spencer auf dem Tisch sah. Ich beschloss, ihr eine Chance
zu geben.
»Kannten Sie Nicholas Spencer?«, fragte ich.
Sie schüttelte den Kopf. »Nein. Er war schon nicht mehr
da, als ich vor zwanzig Jahren in die Stadt zog. Aber eines
kann ich Ihnen sagen, als die Geschichte rauskam, dass er
seine Firma betrogen hat und der Impfstoff nichts taugt, da
ist es einer Menge von Leuten hier ganz schön mulmig
geworden. Als er die Medaille bekommen hat, haben viele
Aktien von seiner Firma gekauft. In seiner Rede hat er
gesagt, es könnte die größte Entdeckung seit der PolioImpfung werden.«
Jedenfalls hat er den Mund nicht weniger voll
genommen als sonst auch, dachte ich. War es ihm wirklich
darum gegangen, noch einen letzten Haufen Trottel
einzufangen, bevor er von der Bildfläche verschwand?
»Die Feier war absolut ausverkauft«, erzählte Milly.
»Schauen Sie, Spencer ist auf der Titelseite von einigen
der wichtigsten Zeitschriften gewesen. Die Leute wollten
ihn alle aus der Nähe sehen. Er ist die einzige
Berühmtheit, die je aus dieser Stadt hervorgegangen ist.
Natürlich diente das Ganze dazu, Geld aufzutreiben.
Soviel ich gehört habe, hat die Krankenhausleitung nach
Spencers Rede eine Menge Gen-stone-Aktien aus
zurückgelegten Mitteln der Klinik gekauft. Jetzt schiebt
jeder dem anderen die Schuld in die Schuhe, sich diese
Auszeichnung ausgedacht und Spencer dafür hergelockt
zu haben. Und aus dem geplanten Bau einer Kinderklinik
wird in absehbarer Zeit auch nichts mehr werden.«
Sie hielt die Kaffeekanne in ihrer rechten Hand und
stemmte jetzt die linke in ihre Hüfte. »Eines kann ich
Ihnen sagen, in dieser Stadt wird der Name Spencer nur
noch mit Verachtung in den Mund genommen. Aber Gott
hab ihn gnädig«, fügte sie widerstrebend hinzu. Dann
blickte sie mich an. »Was interessiert Sie so an Spencer?
Sind Sie Journalistin, oder was?«
»Ja, genau«, gab ich zu.
»Sie sind nicht die Erste, die nach ihm fragt. Neulich
war jemand vom FBI da und hat sich erkundigt, ob er
irgendwelche Freunde hätte. Ich hab ihm geantwortet, es
seien keine mehr übrig.«
Auf diese Bemerkung hin zahlte ich meine Rechnung,
überreichte Milly meine Karte, sagte: »Falls Sie mich
wegen irgendwas erreichen wollen«, und ging zurück zum
Auto. Mein Ziel war jetzt Winslow Terrace, Nummer
einundsiebzig.
11
    MANCHMAL HABE ICH EINFACH GLÜCK. Dr. Philip
Broderick hatte am Donnerstagnachmittag keine
Sprechstunde. Als ich vor seiner Tür stand, war es Viertel
vor zwölf, und der letzte Patient verließ gerade die Praxis.
Ich überreichte der Sprechstundenhilfe eine meiner
nagelneuen Visitenkarten von der Wall Street Weekly. Mit
skeptischer Miene bat sie mich, mich einen Moment zu
gedulden, sie wolle den Doktor fragen. Ich drückte mir in
Gedanken die Daumen und wartete.
    Nach einer Weile kam sie zurück und sagte: »Sie können
mit Doktor Broderick sprechen.« Sie wirkte etwas
verwundert, und, ehrlich gesagt, ich war es auch. Bei
meinen Recherchen für die verschiedenen Porträts hatte
ich die Erfahrung gemacht, dass man genauso große
Chancen hat, ein Interview zu bekommen, wenn man
direkt an einer Tür klingelt, als wenn man vorher anruft
und versucht, einen Termin zu vereinbaren. Nach meiner
Theorie besitzen manche Leute immer noch einen
angeborenen Sinn für Höflichkeit und finden, dass man
verdient, empfangen, wenn nicht gar willkommen
geheißen zu werden, wenn man sich schon die Mühe
macht, sie aufzusuchen. Der Rest dieser Theorie besteht
darin, dass manche Leute schlichtweg befürchten, man
könnte etwas Negatives über sie schreiben, wenn sie einen
an der Tür abweisen.
    Was auch immer Doktor Brodericks Gründe waren, in
den nächsten Sekunden würde ich ihn kennen lernen. Er
musste meine Schritte gehört haben, denn er erhob sich
hinter seinem Schreibtisch, als ich sein Arbeitszimmer
betrat. Er war groß und schlank, etwa Mitte fünfzig, mit
dichten, grauen Haaren. Seine Begrüßung fiel höflich, aber
zugleich nüchtern und sachlich aus. »Miss DeCarlo, ich

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