Und morgen in das kühle Grab
entdecken.
Jimmy Neary kam einen Augenblick zu uns an den
Tisch, und während Gwen und ich an unserem Rotwein
nippten, erzählte ich ihm von meinem neuen Job. »Nick
Spencer hat sich von Zeit zu Zeit hier blicken lassen«,
sagte er. »Ich habe ihn als absolut glaubwürdig
eingeschätzt. So kann man sich täuschen.« Er nickte in
Richtung zweier Männer, die an der Bar standen. »Die
beiden dort haben auch eine Menge Geld bei Gen-stone
gelassen, und zufällig weiß ich, dass sie sich das gar nicht
leisten können. Beide haben Kinder auf dem College.«
Gwen bestellte Red Snapper. Ich hatte keine Lust auf
Experimente und entschied mich daher für ein »Sliced
Steak Sandwich« mit Pommes frites. Wir lehnten uns
zurück und begannen uns zu unterhalten.
»Das Essen geht heute auf mich, Gwen«, sagte ich. »Ich
brauche deine Fachkenntnisse. Wie ist es möglich, dass
Nick Spencer so viel Wirbel um seinen Impfstoff machen
konnte, wenn er nichts taugt, wie sich jetzt herausstellt?«
Gwen zuckte die Achseln. Sie ist eine gute Anwältin,
was bedeutet, dass sie nie direkt auf eine Frage antwortet.
»Carley, fast täglich wird von irgendwem der Durchbruch
mit einem neuen Medikament gemeldet. Man kann es mit
der Entwicklung der Transportmittel vergleichen. Bis ins
neunzehnte Jahrhundert hinein fuhren die Menschen in
Pferdewagen oder Kutschen oder sind geritten. Die Eisenbahn und das Automobil waren die großen Erfindungen,
welche der Menschheit dazu verhalfen, sich schneller fortzubewegen. Im zwanzigsten Jahrhundert folgten Propellerflugzeug, Düsenflugzeug, Überschallflugzeug bis hin zum
Raumschiff. Diese Art von Beschleunigung und Fortschritt gibt es auch in den medizinischen Labors. Nehmen
wir zum Beispiel Aspirin. Das wurde erst Ende des neunzehnten Jahrhunderts entdeckt. Davor wurden die Leute
zur Ader gelassen, wenn man das Fieber senken wollte.
Oder die Pocken. Der Impfstoff ist erst achtzig Jahre alt,
und überall auf der Welt, wo er angewendet wurde, ist die
Krankheit praktisch ausgestorben. Vor fünfzig Jahren gab
es hierzulande noch eine Polio-Epidemie. Die SALKImpfung und später der SABIN-Impfstoff haben damit
aufgeräumt. Ich könnte noch eine Menge anderer Dinge
aufzählen.«
»DNA?«
»Genau. Und vergiss nicht, dass die DNA-Analyse unser
Rechtssystem revolutioniert hat und daneben auch die
Möglichkeit eröffnet, Erbkrankheiten vorauszusagen.«
Ich dachte an die Gefangenen, die aus dem Todestrakt
entlassen wurden, weil mittels DNA-Analyse bewiesen
werden konnte, dass sie das Verbrechen nicht begangen
hatten.
Gwen war noch lange nicht fertig. »Denk an all die
Bücher, in denen ein Kind entführt wird, und dreißig Jahre
später klingelt ein Erwachsener an der Haustür und sagt:
›Mommy, ich bin wieder zu Hause.‹ Heutzutage braucht
man sich nicht mehr zu fragen, ob einer dem anderen
ähnlich sieht oder nicht. Ein DNA-Test schafft da
Sicherheit.«
Unser Essen wurde gebracht. Gwen aß ein paar Bissen
und fuhr dann fort: »Carley, ich weiß nicht, ob Nick
Spencer ein Scharlatan oder ein Genie war. Soviel ich
weiß, schienen die ersten Resultate mit seinem Krebsimpfstoff sehr viel versprechend zu sein, jedenfalls wurde
das in medizinischen Fachzeitschriften berichtet, aber
eines musst du dir klar machen: Wirklich nachprüfen
konnten sie die Ergebnisse nicht. Und jetzt ist Spencer
verschwunden, und es stellt sich heraus, dass er Geld
unterschlagen hat.«
»Bist du ihm je begegnet?«, fragte ich.
»Bei einigen medizinischen Seminaren. Ein sehr
beeindruckender Mann. Aber Carley, jetzt wo ich weiß,
wie viel Geld er Leuten gestohlen hat, die den Verlust
nicht einfach wegstecken können und, noch schlimmer,
dass er sich einfach einen Dreck geschert hat um die
Hoffnungen der Menschen, die verzweifelt auf den
Impfstoff gewartet haben, jetzt kann ich auch nicht den
kleinsten Funken Sympathie mehr für ihn empfinden.
Schön, er ist mit dem Flugzeug abgestürzt. Wenn du mich
fragst, hat er einfach das bekommen, was er verdient hat.«
10
CONNECTICUT IST EIN SCHÖNER STAAT. Die
Vettern meines Vaters lebten dort, und als ich noch ein
Kind war und wir sie besuchten, dachte ich, überall sähe
es so aus wie in Darien. Aber wie in jedem anderen Staat
gibt es auch in Connecticut bescheidene
Arbeiterstädtchen, und so eines fand ich am nächsten
Morgen vor, als ich in Caspien eintraf, einem zehn Meilen
von Bridgeport entfernten kleinen Ort.
Die Fahrt hatte
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