Und morgen in das kühle Grab
möchte ganz offen zu Ihnen sein. Ich habe nur
eingewilligt, mit Ihnen zu sprechen, weil ich das Magazin,
für das Sie arbeiten, lese und schätze. Andererseits bitte
ich Sie zu verstehen, dass Sie nicht der erste, auch nicht
der fünfte oder der zehnte Journalist sind, der anruft oder
hier vor der Tür steht.«
Ich fragte mich, wie viele Titelgeschichten über
Nicholas Spencer inzwischen wohl in Auftrag gegeben
worden waren. Einstweilen konnte ich nur hoffen, dass die
unsrige, und speziell mein Beitrag, etwas wirklich Neues
und Berichtenswertes bringen würde. Ich dankte
Dr. Broderick dafür, dass er mich ohne Voranmeldung
empfangen hatte, setzte mich auf den Stuhl, den er mir
anbot, und kam gleich zur Sache.
»Dr. Broderick, wenn Sie unser Magazin regelmäßig
lesen, dann wissen Sie, dass unser Haus Wert darauf legt,
nichts anderes als die Wahrheit anhand der aufgedeckten
Fakten darzustellen, jenseits jeglicher Sensationslust. Und
genau darum werde ich mich bemühen, einerseits, weil ich
mich dem Magazin verpflichtet fühle, aber auch, weil ich
ein persönliches Interesse daran habe. Vor drei Jahren hat
meine Mutter ein zweites Mal geheiratet. Meine
Stiefschwester, die ich nur flüchtig kenne, ist die Frau von
Nicholas Spencer. Sie befindet sich momentan im
Krankenhaus und erholt sich von den Verletzungen, die
sie sich zugezogen hat, als man ihr Haus vor ein paar
Tagen mutwillig angezündet hat. Sie weiß nicht, was sie in
Bezug auf ihren Mann noch glauben soll, aber sie möchte
unbedingt die Wahrheit erfahren. Daher sind wir für jede
Hilfe dankbar, die Sie uns geben könnten.«
»Ich habe in der Zeitung von der Brandstiftung gelesen.«
Ich spürte, dass ich mit meinen Äußerungen eine
gewisse Sympathie bei ihm erweckt hatte, gleichzeitig
hasste ich mich selbst dafür, diesen Trumpf ausgespielt zu
haben. »Kannten Sie Nicholas Spencer?«, fragte ich.
»Ich kannte seinen Vater, Dr. Edward Spencer, wir
waren befreundet. Ich teilte sein Interesse für
Mikrobiologie und besuchte ihn oft, sodass wir seine
Experimente gemeinsam beobachten konnten. Für mich
war es ein faszinierendes Hobby. Zu dem Zeitpunkt, als
ich mich hier niederließ, hatte Nicholas Spencer bereits
seinen Abschluss am College gemacht und war nach New
York gezogen.«
»Wann haben Sie Nicholas Spencer zum letzten Mal
gesehen?«
»Am 16. Februar, am Tag nach der
Geldbeschaffungsaktion.«
»Hat er in der Stadt übernachtet?«
»Nein, er kam am Morgen nach der Feier noch einmal
her. Ich hatte ihn gar nicht erwartet. Lassen Sie mich das
erklären. Dies hier ist das Haus, in dem er aufgewachsen
ist, aber das wissen Sie sicherlich bereits.«
»Ja.«
»Nicks Vater ist vor zwölf Jahren plötzlich nach einem
Herzanfall gestorben, genau zu der Zeit, als Nick
geheiratet hat. Ich habe sofort angeboten, das Haus zu
kaufen. Meine Frau hat es immer geliebt, und meine erste
Praxis war mir zu klein geworden. Damals hatte ich vor,
das Labor zu erhalten und mich dort ein bisschen mit den
frühen Experimenten zu beschäftigen, die Dr. Spencer
abgebrochen hatte, weil sie seiner Meinung nach zu nichts
führten. Ich fragte Nick, ob ich mir Kopien von den
Aufzeichnungen über diese Experimente machen könnte.
Doch er überließ sie mir einfach. Er nahm nur die späteren
Akten seines Vaters mit, die seiner Meinung nach viel
versprechendes Forschungsmaterial enthielten. Wie Sie
sicherlich ebenfalls wissen, ist seine Mutter als junge Frau
an Krebs gestorben, und das lebenslange Ziel seines
Vaters war es, ein Mittel gegen die Krankheit zu finden.«
Ich erinnerte mich, wie sehr mir der Gesichtsausdruck
von Nick Spencer zu Herzen gegangen war, als er mir
diese Geschichte erzählt hatte. »Haben Sie Dr. Spencers
Aufzeichnungen verwendet?«, fragte ich.
»Nicht wirklich«, antwortete Broderick achselzuckend.
»Es ist beim guten Vorsatz geblieben. Ich hatte immer
zu viel zu tun, und später benötigte ich den Platz, den das
Labor einnahm, um zwei neue Behandlungsräume
einzurichten. Ich brachte die Unterlagen auf den Speicher,
falls Spencer sie irgendwann abholen wollte. Er hat das
nie getan, bis zum Tag nach der Geldbeschaffungsaktion.«
»Das war nur anderthalb Monate vor seinem Tod!
Warum wollte er sie gerade zu diesem Zeitpunkt haben?«,
fragte ich.
Broderick zögerte. »Ich weiß es nicht, er hat keinen
Grund genannt. Er war sichtlich unruhig. Angespannt
wäre das treffende Wort, denke ich. Aber ich
Weitere Kostenlose Bücher