Und morgen in das kühle Grab
immer schon in der Praxis
mitgearbeitet, und jetzt, wo es dem Doktor besser geht,
kommt sie jeden Tag ein paar Stunden zu uns.«
»Mrs. Ward, ich werde heute in Caspien sein, und es
wäre sehr wichtig, dass ich mit Mrs. Broderick sprechen
könnte. Es geht um den Unfall von Dr. Broderick. Mehr
will ich im Moment dazu nicht sagen, aber ich möchte
gegen zwei Uhr bei Ihnen in der Praxis sein, und ich
würde mich wirklich sehr freuen, wenn Mrs. Broderick
mir dann eine Viertelstunde opfern könnte. Ich habe ihr
meine Handynummer hinterlassen, als ich vor ein paar
Tagen mit ihr gesprochen habe, aber ich werde sie Ihnen
zur Sicherheit noch einmal geben. Und noch etwas – ich
möchte Sie bitten, mich anzurufen, falls Mrs. Broderick
sich kategorisch weigert, mich zu empfangen.«
Ich hatte noch einen Anruf zu erledigen, und der galt
Manuel und Rosa Gomez. Ich erreichte sie im Haus ihrer
Tochter in Queens. »Wir haben in der Zeitung gelesen,
dass Miss Powers verschwunden ist«, sagte Manuel. »Wir
machen uns solche Sorgen, dass ihr etwas zugestoßen sein
könnte.«
»Dann glauben Sie also nicht, dass sie zu Mr. Spencer in
die Schweiz geflogen ist?«
»Nein, das glaube ich nicht, Miss DeCarlo. Aber es ist
natürlich nur mein Gefühl, das mir das sagt.«
»Manuel, kennen Sie den gepflasterten Fußweg, der zum
Teich führt, gleich hinter dem linken Pfeiler am
Eingangstor?«
»Natürlich.«
»Kam es vor, dass jemand seinen Wagen dort abstellte?«
»Mr. Spencer hat regelmäßig seinen Wagen dort
geparkt.«
»Mr. Spencer!«
»Vor allem im Sommer. Manchmal, wenn Mrs. Spencer
mit Freunden am Pool war und er von New York kam, um
Jack in Connecticut zu besuchen, hat er seinen Wagen dort
abgestellt, damit man ihn nicht bemerkt. Dann schlüpfte er
ungesehen ins Haus, um sich umzuziehen.«
»Ohne Mrs. Spencer Bescheid zu sagen?«
»Ja, denn er sagte immer, wenn er erst mit den Leuten
ins Gespräch komme, sei es schwierig, sich wieder zu
verabschieden.«
»Was für ein Auto fuhr Mr. Spencer?«
»Einen schwarzen BMW.«
»Haben andere Leute, die mit den Spencers befreundet
waren, gelegentlich auf diesem Weg geparkt, Manuel?«
Es gab eine Pause, dann kam die ruhige Antwort:
»Tagsüber nicht, Miss DeCarlo.«
34
ALLAN DESMOND SAH AUS, als hätte er seit drei
Tagen nicht geschlafen. Er musste etwa Ende sechzig sein,
und seine Hautfarbe war so fahl wie sein stahlgraues Haar.
Er war von Natur aus ein schlanker Mann, doch an diesem
Vormittag machte er einen erschöpften und ausgelaugten
Eindruck. Dennoch war seine äußere Erscheinung mit
Anzug und Krawatte tadellos, und ich hatte das Gefühl,
dass er einer dieser Männer war, die nie ohne Schlips in
die Öffentlichkeit gehen, es sei denn auf den Golfplatz.
Im Coffee Shop war nicht viel los, und wir suchten uns
einen Tisch in einer Ecke aus, wo niemand etwas von
unserem Gespräch hören konnte. Wir bestellten Kaffee.
Ich war mir sicher, dass er den ganzen Vormittag über
noch nichts gegessen hatte, und sagte: »Ich würde gern ein
Plunderteilchen essen, aber nur, wenn Sie auch eines
nehmen.«
»Sehr geschickt eingefädelt, Miss DeCarlo, aber Sie
haben Recht – ich habe noch nichts gegessen. Ich nehme
auch von diesem Plundergebäck.«
»Mit Quark für mich«, sagte ich der Bedienung.
Er nickte ihr zur Bestätigung zu.
Dann sah er mir in die Augen. »Sie waren am
Montagnachmittag bei Vivian?«
»Ja. Ich hatte sie vorher angerufen und versucht, einen
Termin mit ihr zu vereinbaren, aber sie hatte abgelehnt.
Ich glaube, sie war davon überzeugt, dass ich Nicholas
Spencer fertig machen wollte, und hatte deshalb kein
Interesse, sich mit mir zu treffen.«
»Warum hätte sie nicht die Chance ergreifen sollen, ihn
zu verteidigen?«
»Weil es leider nicht immer so läuft. Es ist eine traurige
Wahrheit, aber es gibt Journalisten, die einfach Teile eines
Interviews streichen, sodass die gekürzte Version eine
positive Stellungnahme in ein vernichtendes Urteil
verwandelt. Ich vermute, dass Vivian sehr unter der
gnadenlosen Berichterstattung in Bezug auf Nicholas
Spencer gelitten hat und unter keinen Umständen auch
noch etwas dazu beitragen wollte.«
Vivians Vater nickte. »Sie ist immer absolut loyal
gewesen.« Dann verzerrte sich sein Gesicht vor Schmerz.
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe, Carley? Ich rede
über Vivian, als ob sie nicht mehr am Leben wäre. Das ist
wirklich entsetzlich.«
Ich wünschte, eine bessere Lügnerin zu
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