Und morgen in das kühle Grab
sein und
irgendetwas Tröstendes sagen zu können, aber es gelang
mir einfach nicht. »Mr. Desmond, ich habe Ihre
Presseerklärung gelesen, wonach Sie oft mit Vivian
telefoniert haben in den drei Wochen, die seit dem
Flugzeugabsturz von Nicholas Spencer vergangen sind.
Wussten Sie, dass sie und Nicholas Spencer eine
Liebesbeziehung hatten?«
Er nahm einen Schluck aus seiner Tasse, bevor er
antwortete. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er nach einer
Möglichkeit suchte, der Frage aus dem Weg zu gehen; ich
glaube, er bemühte sich, eine aufrichtige Antwort zu
finden. »Meine Frau sagt immer, ich würde nie direkt auf
eine Frage antworten«, sagte er, »und vielleicht hat sie
Recht.« Er lächelte kurz. »Ich will Ihnen Folgendes sagen.
Vivian ist die jüngste unserer vier Töchter. Sie hat Joel auf
dem College kennen gelernt, und sie haben vor neun
Jahren geheiratet, als sie zweiundzwanzig war.
Unglücklicherweise – Sie werden es wissen – ist Joel vor
etwas mehr als zwei Jahren an Krebs gestorben. Damals
haben wir versucht, sie davon zu überzeugen, wieder nach
Boston zu ziehen, aber sie hat den Job bei Nicholas
Spencer angenommen. Es hat ihr sehr viel Kraft gegeben,
in einem Unternehmen zu arbeiten, das drauf und dran
war, einen Impfstoff gegen Krebs zu entwickeln.«
Nick Spencer war etwas länger als zwei Jahre mit Lynn
verheiratet, als Vivian zu Gen-stone kam, überlegte ich.
Ich wette, dass es in der Ehe damals schon gekriselt hatte.
»Ich will absolut ehrlich zu Ihnen sein, Carley«, sagte
Allan Desmond. »Falls – und ich möchte betonen: falls –
Vivian tatsächlich ein Liebesverhältnis mit Nicholas
Spencer hatte, dann ist es nicht sofort dazu gekommen. Sie
hat sechs Monate nach Joels Tod ihren Job bei ihm
angetreten. Sie besuchte uns damals mindestens einmal im
Monat am Wochenende. Ihre Mutter und ich und auch ihre
Schwestern haben sich in dieser Zeit sehr um sie
gekümmert. Am meisten hat uns dabei Sorge bereitet, dass
sie nie das Haus verließ. Wir haben versucht, sie dazu zu
bewegen, sich einer Trauergruppe anzuschließen, sich für
Abendkurse einzuschreiben, um sich auf das MasterDiplom vorzubereiten – kurz gesagt, irgendetwas zu tun,
um nicht nur zu Hause zu sitzen.«
Die Plunderteilchen wurden gebracht. Sie sahen absolut
köstlich aus. In Gedanken tauchten warnende Hinweise
vor mir auf: tausend Kalorien. Verstopft deine Venen.
Hast du an deinen Cholesterinspiegel gedacht?
Ich schnitt mir ein Stück ab und schob es in den Mund.
Göttlich. Ein Genuss, den ich mir so gut wie nie gönne.
Nicht besonders gesund, aber egal. Es war einfach zu gut.
»Sie wollen also darauf hinaus, dass sich irgendwann die
Situation gewandelt hat«, sagte ich.
Allan Desmond nickte.
Es freute mich zu sehen, dass er gedankenverloren sein
Teilchen aß, während er meine Fragen beantwortete.
»Ich würde sagen, dass sich Vivian gegen Ende des
letzten Sommers veränderte. Sie klang glücklicher,
obwohl sie sehr in Sorge war wegen unvorhergesehener
Probleme, die im Zusammenhang mit dem Krebsimpfstoff
aufgetaucht waren. Sie hat nichts darüber erzählt. Es
handelte sich wohl um vertrauliche Informationen, aber sie
sagte, dass Nicholas Spencer in großer Aufregung sei.«
»Hat sie auf irgendeine Weise angedeutet, dass sich eine
intime Beziehung zwischen ihnen entwickelte oder schon
bestand?«
»Nein. Aber ihre Schwester Jane, diejenige, mit der Sie
vorhin gesprochen haben, muss etwas davon
mitbekommen haben. Sie sagte etwas wie: ›Viv hat schon
genug Kummer gehabt. Ich hoffe, sie ist klug genug, sich
nicht auch noch in ihren verheirateten Boss zu verlieben.‹«
»Haben Sie Vivian einmal direkt danach gefragt?«
»Ich habe einmal im Scherz gefragt, ob sie nicht einen
interessanten Mann in Aussicht habe. Sie antwortete mir,
ich sei ein unverbesserlicher Romantiker und sie würde
mir schon Bescheid sagen, wenn jemand auftaucht.«
Ich spürte, dass Allan Desmond gerade ansetzen wollte,
mir seinerseits Fragen zu stellen, und kam ihm schnell
zuvor.
»Mal ganz abgesehen von der Liebesgeschichte – hat
sich Vivian Ihnen gegenüber geäußert, was sie von
Nicholas Spencer hielt?«
Allan Desmond runzelte die Stirn und sah mir direkt in
die Augen. »Wenn Vivian in den letzten sieben, acht
Monaten von Spencer gesprochen hat, musste man ihn für
einen Heiligen halten. Und deshalb kann ich nur sagen:
Wenn sie mir die Nachricht hätte zukommen lassen, dass
sie zu ihm
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