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Und morgen seid ihr tot

Und morgen seid ihr tot

Titel: Und morgen seid ihr tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniela Widmer; David Och
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Tage später, es ist der 23.   Januar, klopft es an unsere Tür. 13.20   Uhr. Wir liegen gerade im Bett, nippen apathisch an dem Tee, den David uns gebraut hat. Mino kommt herein. »Nazarjan ist da, ihr geht auf den Basar«, sagt er aufgeregt. Sofort fängt mein Herz zu galoppieren an. »Telefon, Telefon«, sagt Dumbo und übergibt David »unsere« zwei schwarzen Burkas. Während wir uns schnell fertig machen, lange Unterhosen und Socken unter die Burka ziehen, füllt sich unser Zimmer. Alle haben gemerkt, dass etwas Besonderes passiert, und nun stehen sie da und beobachten uns gespannt. Ich stopfe meine Fellmütze, ein italienisches Armeemodell, das bei den Frauen heftigen Unwillen erregt, in meinen Hosenbund, dann laufen wir zum Tor. Unterwegs greife ich mir noch die Wasserflasche, die ich zum Wärmen in die Sonne gestellt habe. Die Familie hat sich jetzt am Eingang versammelt und lacht angesichts der beiden Bohnenstangen in Burkas, unter denen Turnschuhe hervorragen. Das Tor wird geöffnet, durch das engmaschige Gitter erahne ich Nase, der grinsend auf der Rückbank des Toyotas wartet. Ich steige ein, neben Nase, David folgt mir. Am Steuer sitzt Hamza, der zweite Assistent, Dumbo klettert auf den Beifahrersitz. Nase, zwischen den Beinen eine Kalaschnikow, gibt uns die Hand.
    Er weist uns an, die Burkas abzulegen. Als ich meine Fellmütze aus dem Hosenbund zücke, lacht er. Der Fahrstil des Assistenten ist nicht ganz so rasant wie der von Nase, aber trotzdem kracht manchmal die Gangschaltung, und an Kreuzungen halte ich die Luft an. Dumbo zeigt uns ein Telefon, das aussieht wie ein altertümlicher Festnetzapparat. In Miranshah hätten wir Empfang, hier nicht, meint er.
    Tief ziehe ich die Luft in die Lungen, spüre die Weite, sehe die Bergketten am Horizont, davor Freiflächen mit Schafherden, Bäume, am Straßenrand sitzen Leute, die Tee trinken. Zweieinhalb Monate lang haben wir den Hof nicht verlassen, seit unserer Flucht während des Bombenangriffs.
    »Großartig«, sage ich und lasse meinen Blick durch die Landschaft schweifen, »großartig, mit dir hier durchzufahren.« Nase nickt, lacht, zeigt auf eine von Wachtürmen flankierte Festung auf einem Hügel, eine andere am Straßenrand.
    »Armeestützpunkte«, sagt er. Ich werfe David einen Blick zu. Armeestützpunkte. Rettungsinseln für uns. Die eine relativ unsicher, weil direkt neben der Straße, über die normalerweise die Taliban die Kontrolle haben. Die andere auf einem Hügel, umgeben von unbewohnten Hängen, die man bei Nacht ungesehen überwinden könnte. Die ungefährlichere Lösung.
    Aber wahrscheinlich trifft in Kürze das Lösegeld ein, und wir müssen kein Risiko eingehen.
    Ob wir etwas vom Basar brauchen, fragt Nase, als wir durch das Ortszentrum kommen. David wünscht sich Buttertoffees, kleine, süße Teigkugeln.
    Es ist 14.30   Uhr Ortszeit, 10.30   Uhr in der Schweiz, ich fürchte, dass niemand zu Hause ist. Für gewöhnlich sind wir in dieser Januarwoche gemeinsam in Zermatt beim Skilaufen.
    »Dann rufst du deinen Vater auf dem Handy an«, meint Nase. Ich wische mir die feuchten Handflächen an der Hose ab und versuche, die Nervosität zu unterdrücken. Der Wagen schiebt sich durch enge Straßen, zwischen Warenhaufen, Handkarren, Verkaufsständen hindurch. Dumbo steigt aus, wir fahren weiter, verlassen das Ortszentrum. Wir kommen durch Flussbetten, Jungs spielen Cricket, Mädchen tragen Wassereimer auf dem Kopf. Wir sehen auf einem Hügel einen Mann stehen, der in ein Mobiltelefon spricht. Hier also gibt es ein Netz. Wir halten an. Etwa zweihundert Meter entfernt stehen Zelte, zu denen der Assistent läuft.
    Nase, dem immer kalt ist, hat die Autoheizung so hoch gedreht, dass wir schwitzen. Er bemerkt es und beugt sich nach vorne, um den Regler zu drosseln. Als ich Schal und Jacke ablege, spüre ich, dass meine Nähe ihn in Verlegenheit bringt. Also wechsle ich mit David den Platz.
    Der Assistent kommt mit einer langen Bambusstange zurück und öffnet den Kofferraum, wo er eine Antenne und ein Kabel verstaut hat.
    Nase sagt: »Ihr könnt nur kurz sprechen.«
    Nase zieht eine cirka zwanzig Zentimeter lange Teleskopantenne aus dem Telefon, welches er mit einer Autobatterie im Fußraum verbindet. Dann legt er eine SIM -Karte ein. Da die Halterung gebrochen ist, müssen wir die SIM -Karte permanent mit dem Finger anpressen. Er gibt uns einen Stift. »Schreibt die Nummern auf Davids Arm«, sagt er. Ich notiere die Nummern unseres

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