Und Nachts die Angst
Frau.
»Gibt wohl eher ’n Haufen Dung«, mault der Mann.
»Okay, beide Teams – zuhören«, meldet sich Coulter wieder zu Wort. »Wir haben einen Durchsuchungsbefehl, aber wenn wir auf Widerstand stoßen, sind wir autorisiert, das Haus zu stürmen. Überwältigen Sie das Zielobjekt und mögliche Komplizen notfalls mit Gewalt. Verwenden Sie Blendgranaten, fahren Sie schweres Geschütz auf. Finden Sie die Mädchen oder ihre Überreste, und sichern Sie den Tatort. Alles klar?«
Agent Martin sieht auf die Uhr. »Wir müssen los.«
»Okay. Tun Sie Ihr Bestes, und bleiben Sie wachsam.« Coulter blickt sich um. »Ihre jeweiligen Teamführer haben die Eckdaten und informieren Sie während der Fahrt. Auf geht’s.«
Er klatscht in die Hände, und das Hostage Rescue Team, die Spezialeinheit zur Geiselrettung, stürmt aus der Tür, so dass Al Krasny plötzlich wieder allein im Raum sitzt. Die Spannung hängt in der Luft wie ein scharfer Geruch.
58. Kapitel
E s regnet nun stärker, und Reeve schaltet den Scheibenwischer auf höchste Geschwindigkeit. Sie konzentriert sich auf die Straße und sucht in den schwarzen Schatten nach etwas, das sie wiedererkennt.
Der Klumpen in ihrem Bauch wird härter, wann immer sie an den Anruf denkt. Sie schluckt und beschließt, sich von Daryl Wayne Flint nicht fertigmachen zu lassen. Er hat ihr schon zu viele Jahre ihres Lebens gestohlen. Sie wird die Telefonnummer ändern, sobald sie kann, und Dr. Lerner bitten, mit den Behörden in Washington zu sprechen, und damit hat der Spuk ein Ende. Schlicht und einfach. Kein Problem.
Nun muss sie sich auf das konzentrieren, was sie vorhat. Denn weil Angst lähmt, ist Angst der Feind.
Die Straße steigt wieder an. Die Strecke kommt ihr vertraut vor, und Reeve hat das Gefühl, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Sie packt das Lenkrad fester und merkt, wie ihr der Schweiß ausbricht, als sie die Hänge, die engen steilen Kurven, sogar die Schlaglöcher und Hubbel im Asphalt wiedererkennt.
Sie richtet den Blick auf den Straßenrand und hält nach dem toten Waschbär Ausschau. Er kommt nicht, und sie fragt sich schon, ob sie sich nicht doch geirrt hat, aber dann streifen die Scheinwerfer den Schneefleck, auf dem das Tier noch genauso steif und aufgebläht liegt wie zuvor.
Sie weiß, dass sie nah am Ziel ist, und beschleunigt unwillkürlich. Um ihre Augen an die Dunkelheit zu gewöhnen, kneift sie eines zu, und in dem Augenblick, da sie den Gipfel der Anhöhe sieht, wo die Straße abbiegt und eben weiterläuft, nimmt sie den Fuß vom Gas und schaltet die Beleuchtung aus. Die Nacht schließt sich um sie.
Das an die Dunkelheit gewöhnte Auge hilft ihr, zwischen grauem Blattwerk und blauschwarzer Straße zu unterscheiden. Die Reifen rollen leise auf dem glitschigen Asphalt, als sie auf der Anhöhe ankommt und zur Hütte abbiegt. Behutsam geht sie vom Gas, um möglichst wenig Lärm zu machen. Hoffentlich findet sie eine geeignete Stelle, um den Jeep zu parken.
Als sie sich nähert, hört sie etwas Seltsames. Musik.
Der Jeep kriecht voran, und die Musik wird deutlicher – wummernder Rockabilly. Durch die Bäume und den Regen sieht sie einen hellen Lichtfleck und reckt den Hals. Weniger besorgt um das Motorengeräusch, passiert sie die Auffahrt. Die Musik wird lauter, das Licht heller. An der Seite der rostige Briefkasten mit dem Namen – Orr. Ihr fällt die Kinnlade herab, als sie im Vorbeirollen die seltsame Szenerie betrachtet: Der verbeulte Van parkt am Ende der Auffahrt und beleuchtet einen Mann im gelben Ölzeug, der im Regen Feuerholz aufschichtet.
59. Kapitel
D ie Musik dröhnt aus den Autolautsprechern, als Reeves Jeep unbeleuchtet und – wie sie hofft – unbemerkt vorbeirollt. Die Straße senkt sich wieder ab, und der Jeep wird schneller, doch Reeve widersteht dem Impuls, auf die Bremse zu treten, da sie sich vor verräterischen Bremslichtern fürchtet. Sie blickt in den Rückspiegel, sieht, wie Orrs Haus hinter ihr kleiner wird, und steuert um eine Abwärtskurve nach links.
Im Rückspiegel ist nun alles schwarz, daher riskiert sie, das Standlicht einzuschalten, um einen Platz zum Parken zu suchen. Die Scheibenwischer fahren hin und her. Ein gelbes »Kein Durchgang«-Schild leuchtet vor ihr auf, dahinter ein Eisentor, das eine Art Pfad absperrt. Die Räder des Jeeps platschen durch einen kleinen Graben, als sie den Wagen vom Weg lenkt und anhält.
Sie schaltet das Licht wieder aus und stellt den Motor ab; die Musik hinter ihr
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