Und Nachts die Angst
Gefängnis.«
»Wenn es nach mir geht, wird er auch noch sehr, sehr lange hinter Schloss und Riegel bleiben. Sie können sicher sein, dass ich dort jedes Mal auf der Matte stehe, wenn dem Richter ein Antrag auf Entlassung zugestellt wird.«
»Bald steht die nächste Anhörung an, nicht wahr?«
»Der Prüfungsausschuss hat mir noch kein Datum genannt, aber es wird nicht mehr lange dauern. Normalerweise liegen die Termine im Januar.«
Reeve verdrängt Daryl Wayne Flint aus ihren Gedanken, legt die Gabel weg und sieht sich um. Sie sind der Einfachheit halber vom Hotel nur über die Straße in die Filiale einer Restaurantkette gegangen, in der laute Musik läuft und sich eine lärmende Menge an der Bar drängt. Sie bereut die Wahl des Etablissements und versucht festzulegen, was hier so anders ist als in San Francisco. Die Gäste sind weniger formell gekleidet, was nicht überrascht. Aber es ist nicht nur die Vorliebe für Flanellhemden, die sie verunsichert.
»Wie ist Ihr Salat?«, fragt Dr. Lerner.
»Ganz okay. Aber ich wünschte fast, ich hätte den Lachs bestellt. Wie ist Ihre Pasta?«
»Langweilig. Und ich wünschte mir definitiv, dass ich den Lachs bestellt hätte«, sagt er und schneidet ein Gesicht.
Reeve wendet ihre Aufmerksamkeit wieder der Menschenmenge zu, die um sie herumschwappt, und bemerkt zwei Männer in Tarnkleidung und mehrere mit Baseballkappen. Drinnen. Abends. Das kommt ihr seltsam vor.
»Ist mit Ihnen alles okay?«
»Na klar«, antwortet sie und wendet den Blick nervös von dem bärtigen Naturburschen ab, der sie von der Bar her angrinst. Sie betrachtet die Menge und versucht herauszufinden, was sie stört. Dann dämmert es ihr: Es ist Freitagabend – Date Night –, und doch scheint keiner dieser Männer ein Fan von Rasierapparaten oder weiterreichender Körperpflege zu sein. Na gut, vielleicht sollte nicht ausgerechnet sie sich anmaßen, darüber zu urteilen, da sie an Freitagabenden selten ausgeht, aber steckt hinter all dem Gesichtshaar irgendeine Botschaft, die ihr entgeht?
»So«, sagt Dr. Lerner und unterbricht ihre Gedanken. »Jackie Burke will Tilly also morgen zu Hause befragen.«
»So hat sie es jedenfalls gesagt. Aber irgendwie überrascht es mich, dass es Anwälte gibt, die freiwillig am Wochenende arbeiten – Sie nicht?«
»Nein. Das ist ein wichtiger Fall. Alle Beteiligten werden nonstop daran arbeiten, bis die Verhandlung gelaufen ist. Nun – jedenfalls möchten die Cavanaughs, dass wir dabei sind.«
»Tatsächlich?«
»Da Tilly befragt werden soll, haben sie uns gebeten, auch zu kommen.«
»Jackie Burke wird entzückt sein.«
»Ihr Pech. Tilly will es so.« Er betrachtet sie einen Moment lang prüfend. »Das ist doch in Ordnung für Sie, oder? Es tut mir wirklich leid, Sie in all das reinzuziehen.«
»Ist okay, ich versteh schon. Mit einem Staatsanwalt zu reden ist so, wie ein Krokodil zu füttern.«
»Genau. Und dass Tilly darum gebeten hat, dass wir dabei sind, ist ein gutes Zeichen, das wissen Sie. Es beweist, dass sie ein wenig Zutrauen fasst.«
»Ja, das verstehe ich. Es ist nur so, dass ich nicht vorgehabt habe … na ja, egal. Wenn Tilly den Rückhalt braucht, dann bin ich da.«
Ein weiterer Blick auf den Naturburschen, und plötzlich knüpft ihr Bewusstsein eine Verbindung: Er erinnert sie an den Kerl mit dem schmierigen Regenmantel, der immer an der U-Bahn-Station herumlungert. Sie blickt sich um und stellt fest, dass die meisten dieser bärtigen Männer sie an die heruntergekommenen Kerle erinnern, die ihre Habe in Einkaufswagen durch San Francisco schieben.
»Was ist?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nichts.«
»Sollen wir?« Dr. Lerner schiebt den Teller mit den Pastaresten zur Seite, und ein paar Minuten später sind sie draußen in der winterlichen Abendluft. Die Musik verklingt hinter ihnen, als sie über den geteerten Parkplatz zum Hotel gehen. Die Kälte beißt sich durch Reeves Kleider, und sie schiebt die geballten Fäuste in ihre Manteltaschen.
»Ich muss Sie wahrscheinlich nicht extra darauf hinweisen, aber wenn Burke morgen Tilly befragt, müssen wir uns im Hintergrund halten.«
»Ich weiß. Stille moralische Unterstützung, keine klugen Bemerkungen. Schon klar.«
»Obwohl ich zugeben muss«, fährt Dr. Lerner fort, »dass ich schrecklich neugierig bin, was bei den Hunden rausgekommen ist.«
»Was für Hunde?«
»Die Leichenspürhunde.«
»Was? Ich komme gerade nicht mit.«
»Haben Sie es denn nicht gehört? Die Ermittler suchen
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