Und Nachts die Angst
Fußballtraining ihres Bruders oder zum Friseur ihrer Mutter fallengelassen, so dass sie begreifen musste, dass er jeden in der Familie beobachtete.
Tilly wusste also von Anfang an, dass es ihre Familie treffen würde, wenn sie nicht tat, was er wollte. Meistens war sie klug genug, ihm zu gehorchen. Aber manchmal, wenn sie sich ungebärdig verhielt, hatte er zu Mitteln wie einer brennenden Zigarette greifen müssen, damit sie nicht vergaß, dass Ungehorsam sofortige und schmerzhafte Folgen hatte.
Eben hat der Sniffer Duke alarmiert, dass es möglicherweise ein Problem gibt. Also bindet er seine Sportschuhe zu, setzt den Kopfhörer auf und fängt an, die Aufnahmen abzuhören, während er auf dem Laufband trainiert.
Trägheit bringt einen nicht weiter.
Ihm ist gerade erst ein wenig warm geworden, als er etwas Interessantes hört. Er lauscht Mr. C.s vertrautem Bariton, Mrs. C.s üblichem Geglucke, den einsilbigen Antworten ihrer Tochter und den nervigen Kommentaren dieses arroganten Seelenklempners, als eine neue Stimme sich einmischt. Er zieht die Brauen zusammen.
Die Stimme ist jung und melodiös.
Sie nennt sich Reeve.
Verwirrt drosselt er das Tempo. Was will sie hier?
Er steigt vom Laufband und spult die Aufnahme zurück. Vielleicht gab es ja eine Vorstellung, aus der ihre Rolle hervorgeht. Aber die Cavanaughs haben sie eindeutig erwartet.
Mit finsterer Miene hört er zu. Irgendetwas ist ihm entgangen. Er dreht die Lautstärke auf, und nun beglückt die junge Frau ihn mit einer detaillierten Erzählung, der er fasziniert lauscht, und als sie berichtet, was sie durchgemacht hat, stößt er einen langen Pfiff aus. An diese Geschichte kann er sich gut erinnern.
Aber die Kleine hieß nicht Reeve.
Er durchforstet sein Gedächtnis, schließt die Augen, dann fällt es ihm ein: »Regina Victoria LeClaire«, sagt er laut und kostet den Namen auf der Zunge aus. »Edgy Reggie«, fügt er hinzu. Reggie, die Kratzbürste. Er grinst, lehnt sich auf seinem Stuhl zurück, holt tief Luft und hört genießerisch ihrer Version der Geschichte zu.
Ja, er erinnert sich sehr gut an den Fall. Er war damals ein großer Fan.
Duke hatte die Gerichtsverhandlung des Entführers genau verfolgt – weniger interessiert am juristischen Ausgang als an den pikanten Details, die er sich in all ihrer Pracht ausmalte –, und der geniale Ideenreichtum des Peinigers war eine frühe Inspirationsquelle gewesen. Der Mann war krank gewesen, sicher, aber verdammt clever.
Duke streckt die langen Beine aus und überlegt, was wohl aus Daryl Wayne Flint geworden ist.
17. Kapitel
S ie ist ein Tyrann in Stöckelschuhen«, erklärt Reeve Dr. Lerner beim Abendessen.
»Na ja, das ist prinzipiell nicht schlecht, oder? Der Staatsanwalt in Ihrem Fall war auch nicht gerade ein Weichei.«
»Burke hält ihn aber dafür«, sagt sie und stochert in ihrem Salat herum.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Sie hat eine ziemlich bissige Bemerkung darüber gemacht, dass Daryl Wayne Flint nicht bekommen hat, was er verdiente.«
Dr. Lerner seufzt. »Leider. Aber daran war nicht die Anklage schuld.«
»Ja, ich weiß. Sondern ein ungünstiges Zusammentreffen verschiedener Ereignisse «, bemerkt sie zynisch.
»Es hat uns nicht aus heiterem Himmel getroffen, aber – ja, der Verteidiger damals konnte durchaus mit ein paar unerwarteten Manövern aufwarten.«
»Und dieser blöde Richter!« Reeve spießt eine Tomate auf. »Und Dr. Urgh.«
»Der fiese Dr. Moody, ja.« Dr. Lerners trauriger Blick straft seine flapsigen Worte Lügen.
Dr. Terrance Moody, der arrogante Gutachter der Verteidigung, hatte vor Gericht ausgesprochen überzeugend argumentiert und damit Reeves Familie entsetzt. Die LeClaire-Schwester hatten ihn »Dr. Urgh« getauft, und der Name war hängengeblieben.
»Dazu kam Flints Mutter«, ruft Dr. Lerner sich in Erinnerung. »Ohne die Aussage der Mutter wäre Flints Fall nicht in sich zusammengefallen.«
»Aber sie ist doch genauso übel gewesen wie er. Ich kann noch immer nicht fassen, dass die Geschworenen darauf reingefallen sind.«
»Das stimmt. Aber ihre Aussage in Verbindung mit Moodys Expertenmeinung hat es der Anklage schwergemacht, ihn als Simulant zu entlarven. Flints Anwalt hat sein Ziel erreicht, ob wir nun davon überzeugt waren, dass alles bloß Show war, oder nicht.«
»Na ja, Hauptsache, Flint sitzt hinter Schloss und Riegel«, murrt sie. »Und schließlich ist eine geschlossene psychiatrische Anstalt genauso sicher wie ein
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