Und nehmen was kommt
Unterhemd dagegen bleibt hinter dem seinen stehen und stützt sich mit beiden Händen auf die Lehne. Also, wie viel ist es geworden, heraus mit der Sprache und den Scheinen. Monika überlegt fieberhaft, ob sie mit ihren fehlenden Deutschkenntnissen anfangen soll, mit dem unausweichlichen Geständnis, den Straßenstrich nur vom Hörensagen zu kennen, oder ob es klüger wäre, seine Frage direkt zu beantworten und die Erklärungen nachzureichen. Sie weiß diesen ihr fremden Menschen nicht einzuschätzen. Darf sie auf Verständnis hoffen, auf ein bißchen Geduld, Mitleid gar, oder wird er zornig werden, gewalttätig? Er wirkt jedenfalls gereizt, es hat sich einiges angestaut, längst dürfte er mitbekommen haben, daß hier etwas nicht stimmt, daß man ihm womöglich ein Kuckucksei ins Nest gelegt hat.
Brauchst du eine Extraeinladung, Prinzessin? herrscht er sie an, weil sie nur schluckt, den Boden anstarrt und den Mund nicht aufbringt. Ich hab nichts verdient heute, würgt Monika schließlich hervor, ohne aufzublicken, und deshalb trifft sie der Schlag mitten ins Gesicht auch völlig unvorbereitet, der Stuhl kippt, sie stürzt rücklings gegen eine Möbelkante, holt sich eine kleine Platzwunde am Hinterkopf, blutet aus der Nase, weint nicht, es ist mitternachtsstill geworden im Raum. Sie ist ganz unten, er ganz oben, hat sich unmittelbar vor ihr aufgepflanzt, eine einzige Drohgebärde. Sie wirft den Kopf in den Nacken, um zu sehen, was sich zusammenbraut über ihr, um sich besser schützen zu können gegen Tritte, Schläge. Die Hauskatze streift an ihrem Körper entlang, den Schwanz aufgestellt, sie schnurrt.
František geht um den Tisch an seinen Platz, setzt sich, nimmt einen kräftigen Zug aus der Flasche. Monika sieht ihn nicht, hört nur seine Stimme: Ob sie sich einbilde, das hier sei ein Mädchenpensionat für höhere Töchter, er habe sie schließlich nicht fürs Nichtstun gekauft. Vielleicht sei sie auch im Irrtum, einen Kuraufenthalt mit Vollpension gebucht zu haben. Was sie sich von so einem Verhalten verspreche, frage er sich, ob sie sich denn gern jeden Tag die Fresse polieren lassen wolle, bis man sie am Ende mit einer Vogelscheuche verwechseln werde. Er werde sie schon zurechtbiegen, da könne sie Gift drauf nehmen. Sie brauche sich morgen gar nicht einbilden, ein Frühstück vorgesetzt zu kriegen, der Wind wehe ab jetzt aus einer anderen Richtung.
Ich möchte bloß wissen, was faul ist an dir. Was das ganze Theater soll. Ihr führt doch was im Schilde, der Kerl, der dich mir angedreht hat, und du, Prinzessin, ich bin nur noch nicht dahinter gekommen, was. Um Monika liegen rotgefleckte Papiertaschentücher, sie hält den Kopf weiter im Nacken, versucht, den Blutstrom aus der Nase zu stillen. Sie spürt, wie das Blut aus der Platzwunde die Haare verklebt. Selbst wenn sie wollte, sie könnte seinem Wortschwall im Moment nichts entgegensetzen. Das ist nur ein harmloser Vorgeschmack, fährt er fort, es wird dir noch bitter leid tun, mich so zu provozieren. Und jetzt verzieh dich, ich will dich nicht mehr sehen, du Schlampe.
Zum Abschluß nennt er ihr noch eine konkrete Summe, die sie am nächsten Tag abzuliefern hätte, und zwar vorzugsweise in D-Mark, wenn sie sich eine weitere, wesentlich schmerzhaftere Abreibung ersparen wolle. Monika zieht sich hoch, stellt den Stuhl auf, verschwindet im Bad. Sie steht gerade unter der Dusche, als František den Vorhang wegzieht. Er mustert sie von oben bis unten, tritt einen Schritt zurück und sagt: Wenigstens was Arsch und Titten anlangt, hat er mich nicht beschissen, dein Ehemaliger. Kompliment.
Im Traum, denn irgendwann ist Monika doch eingeschlafen, bohren sich die Giftzähne einer rotschillernden Schlange in Monikas Nase. Sie schreit panisch um Hilfe, während nur ein paar Meter entfernt einige Männer um einen Wirtshaustisch sitzen und sich ungerührt in ein Kartenspiel vertiefen. Sie haben die Gesichtszüge von František, Petr und Emil. Der vierte Mann, der ihr den Rücken zuwendet, kann es sein, daß er dem Vater ähnelt? Sie spielen um Geld, viel Geld, stellt Monika fest, die Nase tut ihr weh, aber das Gift scheint nicht tödlich zu sein.
Gu-ten A-bend, wiederholt Monika langsam auf deutsch, ich has-se Monika. Ich hei-ße Monika, verbessert sie Barbora. Guten Tag, dobrý den , guten Abend, dobrý večer , okay? Noch einmal, da capo! Sie kennen sich erst eine halbe Stunde, aber Barbora ist so unkompliziert, so dynamisch, daß Monika alles auf diese Karte
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