Und nehmen was kommt
geworden.
Die Schere zwischen den beiden Monikas geht derweil mit atemberaubender Geschwindigkeit auseinander: Die ungeschminkte, die nüchterne, die wirkliche tritt, was ihre Entwicklung anlangt, auf der Stelle. Sie bleibt weiter das naive, groß gewordene Kind, voller Ängste, Selbstzweifel, Lebensunlust, unfähig, sich außerhalb des Schutzraums Why not? und Umgebung zurechtzufinden. Die Riesenfortschritte der geschminkten falschen auf Speed dagegen sind nicht zu übersehen. Aus der Not hat sie eine Tugend gemacht, aus ihrer tief verwurzelten Verachtung für die Männer eine immer perfektere Dominanzshow, die ihr in einschlägigen Kreisen schnell einen guten Ruf einträgt. Sie braucht sich nicht einmal besonders verstellen, und längst muß sie sich, von der Droge unterstützt, nicht mehr überwinden, die meist lächerlichen Wünsche der angegrauten Miststücke, kaum einer ist jünger als vierzig, zur Zufriedenheit zu erfüllen. Zum Geschlechtsverkehr, selbst zu körperlicher Nähe kommt es in den seltensten Fällen, denn ihre Klientel setzt sich andere Schwerpunkte.
Knallrot sind ihre Lackschuhe, und ohne Hemmungen tritt sie den Freiern, so oft sie danach winseln, die High Heels voll in die Eier, bis sie sich vor Schmerzen und Lust krümmen. Diesen Wichsern zehnmal hintereinander ins blöde Gesicht spucken, mit dem nassen Handtuch rote Striemen schlagen, bitte sehr, bitte gleich. Und über allem schwebt ein stetig wachsendes Repertoire von deutschen Kraftausdrücken, das die masturbierenden Jammerlappen in reine Verzückung versetzt, bis es ihnen endlich doch irgendwie kommt und Monika sich im nächsten Moment erschöpft und gelangweilt eine Zigarette anzündet.
Kann sein, daß manche der Herren die Spuren auf ihrem Körper als bloße Dekoration mißverstehen oder als stimmige Dokumente eines verruchten Lebenswandels, wie sie zu einer beinharten, dominanten, dunklen Nutte nicht besser passen könnten. Ihre vielen Tätowierungen haben etwas rätselhaft Beiläufiges, Improvisiertes, Seebärenhaftes. Womöglich gar als Gütesiegel lassen sich die zahlreichen Schnittnarben an den Unterarmen auffassen, denn nur die wirklich Starken überstehen, was zu ihnen geführt haben mochte.
Aber es muß doch auch Kunden geben, denen Monikas nackter oder halbnackter Anblick jedes Lustempfinden raubt, weil sie nicht davon absehen können, daß dieser sprechende Körper eine verstörende Geschichte haben, diese einzigartige Mischung aus betörender Anmut und garstiger Beflecktheit, strenger Unnahbarkeit und hilfloser Zerbrechlichkeit sich Umständen verdanken muß, die man sich besser nicht zumuten sollte, wenn man ins Reich der Geilheit abtauchen will.
Sie mißt keine einssechzig, und innerhalb eines Jahres hat sie neun Kilo abgenommen. Sie hat schwere Magen-Darm-Probleme, und ihre Gesichtshaut rebelliert mit lästigen Ausschlägen gegen die dick aufgetragene Schminke und den Speedmißbrauch. Du schaust aus wie diese berühmten Negersängerinnen in den späten Sechzigern, offenbart ihr ein bedächtig sprechender Kunde, dem man den Zeitzeugen gern abnimmt. Wie haben sie bloß geheißen? So drei amerikanische Sängerinnen eben, eine blitzsaubere Mädchengruppe in Miniröcken, mit glattgemachten langen Kraushaaren, oder waren es vier? Die haben sich auch so einen auffallenden, silbrig glitzernden Lidschatten aufgemalt gehabt und so ein Rouge auf Kaffeebraun.
Ein anderer nennt sie Cleopatra. Ob er dabei eine antike Büste vor Augen hat oder doch eher die Gestalt aus dem Asterix-Comic, ist nicht überliefert. Jedenfalls entwickelt sich daraus ein regelrechter Spitzname, und für die Zeit, die sie im Why not? arbeitet, wird er sie begleiten wie ihr offizieller Künstlername Vanessa, den sie sich mittlerweile zugelegt hat. Sie lernt Frauen kennen, die das Team vornehmlich an Wochenenden verstärken und sich tatsächlich, wie Jana angedeutet hat, im Club ein Zubrot verdienen, um sich das Studium zu finanzieren oder um den dürftigen Verdienst in ihrem regulären Beruf aufzubessern. Manche tanzen nur, andere animieren auch, wieder andere gehen sogar mit aufs Zimmer. Die kommen oft mit dem eigenen Auto, streifen an Drogen meist nicht einmal an, sind selbstbewußt und pragmatisch, verheimlichen ihren Männern und Freunden häufig, welcher Art ihr Nebenjob ist. Sie kellnern, sagen sie ungerührt. Monika würde gern mit einer von ihnen tauschen.
Schon nach zwei Wochen wird für die eben bezogene Wohnung eine Gebühr fällig, zehntausend
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