Und nehmen was kommt
sofort mit von der Partie.
Beflügelt durch diese überraschende Wende, läuft er zur Höchstform auf. Selbstverliebt, souverän, direkt, unkompliziert, leidenschaftlich, alles Eigenschaften, die von Frauenillustrierten gemeinhin dem Typ des Latin Lover zugeschrieben werden, in dieser Nacht und in dieser Umgebung charakterisieren sie Joes Auftreten perfekt. Heute ist er im wahrsten Wortsinn ein Winner, und daß er im Moment darauf verzichten kann, bei Monika Mitleid zu heischen, tut ein übriges dazu: Er spielt sich überzeugend frei und kann sogar so weit von sich absehen, daß er sich ernsthaft bemüht, Monika im Bett nach allen Regeln der Kunst zu verwöhnen. Zum ersten Mal im Leben wehrt sie sich nicht dagegen, läßt sie ein Lustempfinden zu, und was sie dabei spürt, ist nicht mehr sehr weit vom Orgasmus entfernt.
Mit der Frage, ob sie ihn liebt, hält sie sich nicht auf, sie hätte sie wohl nach wie vor mit nein beantworten müssen, aber er tut ihr gut, weil sie begehrt wird, weil das ihre Einsamkeit und ihre latente Verzweiflung mildert, weil sie sich, wenn sie es geschickt anstellt, vielleicht ein bißchen Schutz erwarten darf, ein bißchen weniger Ausgesetztsein. Und das ist schon viel für sie, sehr viel. Sie nimmt sich fest vor, ab sofort die Hände vom Speed zu lassen, wann, wenn nicht jetzt? Und sie will auch ihn überzeugen, sein Leben umzukrempeln.
Als Joe ihr beim Frühstück von seinem Vorsatz berichtet, den Vater vor vollendete Tatsachen zu stellen, sich zu Monika zu bekennen und, sollte er sein Einverständnis verweigern, mit ihm gar zu brechen, bedeutet das für sie weit mehr als seine körperliche Zuwendung. Bei Vater kommt es immer auf die Tagesverfassung an, sagt Joe, kann sein, ich habe Glück, kann sein, daß er mich aus dem Haus schmeißt.
Es kommt tatsächlich zum entscheidenden Gespräch, Joe hat Glück, und als er Monika dem Vater vorstellt, denn der will sich selbst ein Bild von ihr machen, reagiert er sogar über die Maßen freundlich, findet sie sympathisch und bietet ihnen beiden spontan die Garconnière an, in der Monika kurz mit Olga gewohnt hat, und zwar umsonst. Monika wünscht sich ein paar neue Möbel, Joe verspricht, sich um das nötige Geld dafür zu kümmern. Wie er die Angelegenheit mit seiner bisherigen Freundin geregelt hat, danach fragt sie ihn lieber nicht.
Durch seine Inkassotätigkeit für den Vater kennt er sich in der ganzen Stadt aus wie in seiner Westentasche. Neulich hat er sich bei einem verschüchterten vietnamesischen Händler das fällige Schutzgeld bar auf die Hand blättern lassen, dabei ist ihm aufgefallen, wie schlecht dessen baufällige Lagerräume gegen Einbruch gesichert waren. Kurz nach drei in der Früh erleichtert Joe ihn heute um einen beträchtlichen Teil seines Vorrats an Schmuggelzigaretten. Er packt die Stangen seelenruhig in sein Auto und fährt kaltschnäuzig gleich am Morgen wieder vor. Günstige Ware habe er für ihn, verkündet er und kassiert dafür tatsächlich sage und schreibe achtzigtausend Kronen. Ob der Vietnamese den Diebstahl noch gar nicht bemerkt hat oder ob er sich aus Furcht vor dem gewalttätigen Imperium des Vaters zur Zahlung ohne Widerrede entschließt, Joe kann es gleichgültig sein. Monika hat auf alle Fälle ihr Möbelgeld, und ihm bleiben auch noch ein paar Scheine.
Such dir doch bitte eine ehrliche Arbeit, auf Dauer darf es so nicht weitergehen mit uns, redet sie ihm gut zu. Ich möchte dich auch nicht aushalten müssen, im Gegenteil. So bald wie möglich möchte ich ganz weg aus diesem beschissenen Geschäft, du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich nach einem stinknormalen Leben sehne. Sie sagt es, aber sie glaubt nur in Momenten, in denen sie sich stark fühlt, wirklich daran, daß daraus etwas werden wird. Joes Welt sind schließlich die Drogen, der Alkohol und das Glücksspiel, und durch die Beziehung mit ihm ist sie noch dazu in dubiose Kreise geschlittert, deren kriminelle Energie die ganze Stadt im Würgegriff hält. Künftige Auseinandersetzungen zwischen ihm und ihr, Monika spürt es mehr, als daß es ihr bewußt wird, würden allein schon aus diesem Grund höchst ungleiche Kräfteverhältnisse zur Voraussetzung haben. Sie muß damit rechnen, den kürzeren zu ziehen.
Seit sie zusammengezogen sind, hat Joe sich rasch merklich verändert. Seine Stimmung kann von einer Minute auf die andere komplett umschlagen. Ob es damit zusammenhängt, daß er sich gegen den Willen des Vaters tatsächlich
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