Und nehmen was kommt
rinnt ihr aus einem tiefen Cut über dem rechten Auge und aus der Nase. Und jetzt hat er auch seine Stimme wiedergefunden, und er hält der mehr oder weniger Bewußtlosen einen Vortrag, daß nämlich ganz allein er bestimme, wann er genug habe von ihr und sie verkaufen werde wie einen Kartoffelsack, daß er sich von einer dreckigen Hure keine Vorschriften machen lasse, daß sie, wenn er grün sage und das Ding sei rot, grün zu sagen habe, grün, grün, grün. Er spuckt ihr noch ins entstellte Gesicht und wirft sich dann aufs Bett. Bevor er einschläft, beginnt sie ihm ein bißchen leid zu tun, aber nicht sehr, denn in erster Linie tut er sich selbst leid.
Monika überlebt, ihr Widerstand aber ist gebrochen. Nach langen Jahren zerschlägt sie wieder eine Flasche, eine rote Champagnerflasche, schneidet sich am Klo im Why not? den Unterarm auf, schaut ruhig zu, wie das Blut herausquillt, grünes Blut. Zufällig kommt eine Kollegin herein, steht ihr bei, verbindet sie, will sie heimbringen. Laß mich da, sagt sie leise, und bald sitzt sie wieder draußen an der Bar, mit einer Fasche um den Arm, und sie raucht und sie trinkt und sie schnupft. Sie raucht jetzt unmäßig, sie trinkt jetzt unmäßig, sie schnupft jetzt unmäßig. Wenn sie in der Früh nach Hause wankt, sind drei bis vier Päckchen Zigaretten leer, hat sie nicht selten drei Flaschen Champagner und eine ganze Flasche Tequila intus, und bis zu dreimal am Tag legt sie Speed nach, macht bei acht Stunden Wirkung pro Nase unterm Strich vierundzwanzig. Der Chef murrt und verwarnt sie, denn die Umsätze ergeben sich nun einmal nicht aus den Gratisgetränken für die Frauen in den Animierpausen, und Monikas Pausen sind genauso unmäßig wie ihr Suchtmittelkonsum. Auch ihre eigenen Geschäfte laufen katastrophal, oft kommt sie eine ganze Schicht nicht ein einziges Mal aufs Zimmer.
Joes Eifersucht auf die Freier ist abgekühlt, ihn interessiert nur noch Monikas Geld. Was sie derzeit am Morgen so abliefert, ist ihm natürlich zu wenig, zum Frühstück vor oder nach dem Zubettgehen gibt es praktisch täglich Schläge für sie. Sie läßt es über sich ergehen wie einen Regenschauer. Er beschimpft sie wüst als Dreckstück, als einen stinkenden Haufen Scheiße und beglückwünscht, um ihr besonders wehzutun, Monikas Mutter, rechtzeitig krepiert zu sein, um nicht mitansehen zu müssen, was aus ihrer mißratenen Tochter geworden ist.
Er heuert wieder beim Syndikat des Vaters an, steht jetzt mehr unter seiner Knute als je zuvor, wofür ihn der Alte gleichzeitig verachtet. Was immer sein Vater sich versprochen haben mag, als er sich damals überraschend mit Joes Beziehung zu ihr einverstanden erklärte, übriggeblieben ist davon nichts. Seit die beiden zusammen sind, hat er von ihrer Seite nicht eine einzige vernünftige Geste der Unterwürfigkeit erleben dürfen. Daß sie jetzt völlig apathisch dasitzt, kann ihn dafür nicht entschädigen. Warum verkaufst du sie nicht endlich, die abgefuckte Hure? höhnt er in Monikas Gegenwart und will damit sagen, nicht einmal dazu kannst du dich aufraffen, du lächerlicher Schlappschwanz.
Sie träumt jetzt öfters denselben Traum: In einem knöchellangen, blütenweißen Kittel liegt sie im Sarg, die Augen geschlossen, wohl tot. Gleichzeitig beobachtet sie sich selbst von außen, aus größerer Distanz zunächst, die sich allmählich verringert. Völlig emotionslos geschieht das, aus kühlem Interesse, wie mit einem Seziermesser. Und sobald sie direkt über ihrem eigenen Gesicht angelangt ist, schlägt die Monika im Sarg die Augen auf, und die andere Monika ist bitter enttäuscht darüber.
Nach einer weiteren entsetzlichen Prügelorgie flieht Monika doch in den Club, Joes wüste Racheschwüre schrecken sie nicht mehr, was soll er ihr auch antun können, das dieses Martyrium übertreffen würde? Schon bald findet er sich im Why not? ein, gibt sich plötzlich cool und erleichtert, von ihrem Anblick nicht länger belästigt zu werden. Einmal pro Woche werde er in Hinkunft regelmäßig vorbeikommen und das Geld holen. Sie lehnt ab und läßt ihn einfach stehen. Wenige Tage später ist er wieder da, im Schlepptau zwei Polizisten. Eine Anzeige von diesem Herrn sei eingegangen, verkündet einer von ihnen, sie habe verschiedenste Waren gestohlen und auf dem Versatzamt zu Geld gemacht. Monika hat nicht die geringste Ahnung, wovon der Polizist spricht. Wie bitte? fragt sie ungläubig nach, und jetzt erfährt sie, daß vorgestern unter ihrem
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