Und nehmen was kommt
und Verzweiflung den Kopf der unschuldigen Frau wie einen Fußball getreten hat.
Ihnen ist nach menschlichem Ermessen nicht mehr zu helfen. Auf der scheinbaren Endlosspirale nach unten sind die beiden mit rasender Geschwindigkeit unterwegs. Monika schläft nicht mehr. Jedenfalls hat sie das subjektive Gefühl, bestenfalls kurz einzunicken, nur um gleich wieder aufzuschrecken, der Puls rast, sie hat permanente Beklemmungszustände, im Traum verkauft die Mutter sie an František, machen der Vater und Joe gemeinsame Sache, steht Georg mit einem Strauß roter Rosen an ihrem Sarg und weint, und sie weiß, sie wird die Augen wieder öffnen, und sie öffnet die Augen wieder.
Die Tage in Amsterdam sind eine unwirkliche Schnaufpause, ein Kontrast, an dem sie schwer zu knabbern hat. Es ist tatsächlich Urlaub pur, denn der Mann, der sie eingeladen hat, hält sich an alle Abmachungen. Vera ist aufgekratzt, will Spaß haben, Monika tapst durch die Straßen wie in Trance. Nicht nur die fremdartigen Häuser, die Kanäle, die lockere Atmosphäre, die vielen jungen Leute in den Kneipen und Coffee Shops, wo man ganz legal Cannabis konsumieren kann, tragen daran Schuld.
Wie nie zuvor wird sie hier mit der Nase direkt darauf gestoßen, daß es ein Draußen gibt, einen Alltag jenseits des Milieus, fremde Gegenden und kulturelle Unterschiede, Menschen aller Hautfarben und Herkunftsländer, die hier gemeinsam leben, wie ihr scheint, als ob das die natürlichste Sache auf der Welt wäre. Beglückt und beschissen fühlt sie sich, gierig saugt sie die vielfältigen Eindrücke auf und ist innerlich doch unendlich weit weg von dem, was sie erlebt. Sie möchte so gern viel reisen, Neues entdecken, spürt sie, gleichzeitig möchte sie aus Überforderung bis zum Ende ihrer Tage keinen Fuß mehr aus dem Incognito setzen, das spürt sie auch.
Der letzte Akt in der Beziehung zu Joe ist wenig spektakulär, weil ganz im Rahmen dessen, was zu erwarten war: Er ruft sie täglich an, sie bleibt lange standhaft und sagt ihm erst nach einem Monat die begehrte letzte Aussprache zu. Abgerissen und unrasiert betritt er die Bahnhofsgaststätte, Monika zahlt ihm das Essen, er versucht es auf die alte Tour, sie stellt sich taub, heraus kommt nichts. Vor der Tür dann, es ist eine sternenklare, eiskalte Nacht, murmelt er etwas von einer zugigen Kaufhauspassage, in die er sich jetzt verziehen werde, vor ein paar Tagen erst sei ein Obdachloser erfroren.
Eine einzige Nacht wenn du mich bei dir übernachten ließest, bloß zum Aufwärmen, nur am Boden in der Küche, auf der blauschwarzen Überdecke vielleicht, am Morgen noch eine heiße Dusche, und dann verabschiede ich mich endgültig aus deinem Leben. Monika will sich zwingen, nein, kommt gar nicht in Frage! zu antworten, was bildest du dir eigentlich ein? Stattdessen hört sie sich sagen: Hör schon auf mit dem Gewinsel, komm mit, und morgen verschwindest du dafür aus der Stadt, versprochen?
Kaum ist die Wohnungstür ins Schloß gefallen, greift er sich mit beiden Händen den Küchenstuhl und schlägt ihn Monika, die sich die Hände waschen und Tee aufstellen will, mit voller Wucht ins Kreuz. Sie schreit auf, dreht sich um und blickt in ein Gesicht, das ihr signalisiert, nun gnade dir Gott. Ist sie überrascht? Hat sie wirklich nicht damit gerechnet? Oder nimmt sie in Kauf, hat sie es gar darauf angelegt, daß er den Schlußpunkt setzt? Er klammert sich immer noch an den Stuhl, den er vor sich abgestellt hat. Kein Wort kommt über seine Lippen, aber er schnaubt wie ein Walroß und wartet darauf, wie Monika reagieren wird. Bist du wahnsinnig? brüllt sie ihn an und versucht kreuzhohl zu stehen. Die Hände hält sie flach auf die schmerzenden Körperpartien am Rücken gelegt und bietet ihm so eine ausgezeichnete Angriffsfläche.
Als alles vorbei ist, wirft er sich mit dem ausgerissenen Stuhlbein in der Hand, das er als Knüppel zweckentfremdet hat, aufs Bett und weint. Statt ihm liegt Monika den Rest der Nacht ohne Decke in der Küche, schwer verletzt, bei vollem Bewußtsein, aber unfähig, sich zu bewegen. Was habe ich verbrochen, daß ich noch immer nicht tot bin? denkt sie. Im Morgengrauen steigt er über sie hinweg und verschwindet aus ihrem Leben. Da ist sie immer noch nicht eingeschlafen, weder für ewig noch für ein paar Stunden.
IV
Es ist ein Wechselbad der Gefühle, zuerst, vor ein paar Tagen, die Scheidung, sie hatte ihre Richtigkeit, sagt der Kopf, aber es tut immer noch weh, sehr weh sogar, und
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