Und Nietzsche lachte
eingestimmt auf den Sinn eines anderen Phänomens. Und dieses Ereignis haben wir nicht kraft unseres Willens herbeigeführt oder kraft unseres Könnens gemacht, sondern wir haben es gefunden. Und indem wir es finden, überträgt sich der Sinn – die harmonische Schwingung unseres Gegenübers – auf unsere Seele, die mitzuschwingen beginnt und sich genau dadurch belebt und glücklich fühlt. Wir sind dann mit uns und der Welt im Einklang – und können uns und die Welt gutheißen.
Kosmos – Platons Kosmetikkoffer
Hatte ich Ihnen eigentlich schon verraten, wie es kommt, dass sich Platons subtilste Ausführungen über das GUTE, die Ideen und den Sinn ausgerechnet in einem Dialog finden, der sich mit Fragen von Politik und Gemeinwesen befasst? Nicht? Dann will ich es jetzt nachholen. Sie werden staunen! Das liegt nämlich daran, dass Platon in diesem Text die These schmackhaft machen möchte, es gebe nur dann noch Hoffnung für Staaten und Länder, wenn entweder die Philosophen Könige oder die Könige Philosophen werden.
»Um Gottes willen!«, höre ich Sie rufen, aber bevor Sie dieses Buch aus der Hand legen, lassen Sie mich eines erläutern: Philosophen sind für Platon genau die Leute, die verstanden haben, was es mit dem GUTEN auf sich hat: dass das GUTE die Welt im Innersten zusammenhält, weil alles, was ist und lebt, darauf angelegt ist, mit sich übereinzustimmen; und zwar so, dass sich darin eine Mannigfaltigkeit von Teilaspekten zu einem harmonischen Ganzen integriert. Das gilt nicht nur für den Körper und die Seele eines individuellen Wesens; es gilt nicht minder für das Gemeinwesen: Auch eine pólis – ein Staat – ist nach Platon nur dann sinnvoll, gut und bejahbar, wenn er mit sich in Einklang ist. Das heißt: wenn seine einzelnen Bürgerinnen und Bürger ihre individuellen Kompetenzen, Qualitäten und Fertigkeiten entfalten können und sich dabei so zueinander verhalten, dass ein in sich stimmiges, harmonisches (nicht spannungsloses!) und gerechtes Gemeinwesen entsteht. Genau das ist es, was ein guter Staatsmann verstanden haben muss. Aber wie wir wissen, heißt »verstehen« bei Platon nicht einfach, die Theorie über das GUTE studiert und auswendig gelernt zu haben, sondern das GUTE selbst erfahren, im eigenen Leben realisiert und als eine harmonische Grundschwingung des Lebens einverleibt zu haben. Wenn man sich das einmal klargemacht hat, versteht man auch, warum Platon große Teile seines Buches darauf verwendet, eine Art Curriculum für künftige Politiker zu skizzieren. Wobei es Sie nun nicht mehr überraschen wird, dass es dabei immer nur um eines geht: die Kunst, Harmonie zu erfahren, zu erfühlen, zu erzeugen und schließlich zu verstehen.
Man sollte nur einem Philosophen glauben, der zu tanzen lehrte …
Beschrieben hat Platon dieses Curriculum bildhaft in seinem berühmten »Höhlengleichnis« aus dem VII. Buch des Dialogs über den Staat . Er lässt darin seinen Sokrates von »wunderlichen Gefangenen« erzählen, die in einer unterirdischen Höhle gefesselt auf Schatten an einer Wand starren, bevor ein wohlmeinender Seelenführer diesen armen Schweinen die Fesseln abnimmt und sie, gegen heftigen Wiederstand, aus der Höhle hinausführt, wo sie die Dinge der natürlichen Welt kennenlernen, bis sie zuletzt den Blick zur Sonne lenken und diese als dasjenige erkennen, dem sich alles verdankte, was sie bis dato geschaut hatten. Dass die Sonne hier für die Idee des GUTEN steht, ahnen Sie bereits, und es wird Sie deshalb nicht überraschen zu erfahren, dass dieses Gleichnis dazu dient zu beschreiben, wie sich der Weg zum Verstehen des GUTEN beschreiten lässt. Nun hoffe ich, dass Sie nicht enttäuscht sind, wenn ich der Versuchung widerstehe, Ihnen eine Deutung des Höhlengleichnisses vorzulegen, und stattdessen Ihren Blick auf eine Passage lenke, die unmittelbar darauf folgt und eine Art Schulungsprogramm für künftige Philosophenkönige umreißt.
Und nun raten Sie mal, worauf es dabei besonders ankommt! Sie kommen nicht drauf? Aber es ist wahr: Gymnastik, Tanz und Musik! – Warum? Weil Musik der Seele »vermöge ihrer Harmonie eine innere Wohlgestimmtheit einflößt, die nun kein Wissen ist, und vermöge ihres Rhythmus’ eine innere Wohltemperiertheit«. Ausdrücklich geht es nicht um die Vermittlung von kognitivem Wissen, sondern um eine Einstimmung der Seele; es geht darum, so etwas wie Takt- und Harmoniegefühl in den Seelen und Herzen junger Menschen auszubilden, so dass sie
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