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...und noch ein Küsschen!

...und noch ein Küsschen!

Titel: ...und noch ein Küsschen! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roald Dahl
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den Jungen.
    Der Junge stellte sein Glas ab und setzte sich.
    «Nun, bittäh, linke Hand zwischen diese zwei Nägel. Die Nägel sind nur, dass ich festbinden kann Ihre Hand. Gut, schön. Jetzt ich binde Ihre Hand fest an Tisch – so.»
    Er knüpfte die Schnur um das Handgelenk des Jungen, wickelte sie mehrmals um den breiten Teil der Hand und befestigte sie dann an den Nägeln. Er machte das sehr geschickt, und als er den letzten Knoten geschlungen hatte, war es dem Jungen unmöglich, die Hand wegzuziehen. Aber er konnte die Finger bewegen.
    «Nun, bittäh, Sie schließen alle Finger bis auf die kleine zu Faust. Die kleine Finger muss ganz gerade auf Tisch liegen   …
Aus
-gezeichnet!
Aus –
gezeichnet! Jetzt wir sind fertig. Mit Ihre rechte Hand Sie bedienen Feuerzeug. Aber eine Moment bittäh.»
    Er lief zum Bett, ergriff das Hackbeil, kam zurück und stellte sich mit dem Beil in der Hand neben den Tisch.
    «Wir sind alle bereit?», erkundigte er sich. «Herr Schiedsrichter, Sie müssen sagen zu beginnen.»
    Die Engländerin in ihrem hellblauen Badeanzug stand hinter dem Stuhl des Jungen. Sie stand da und sprach kein Wort. Der Junge saß sehr still, hielt das Feuerzeug in der rechten Hand und blickte auf das Hackbeil. Der kleine Mann blickte auf mich.
    «Sind Sie bereit?», fragte ich den Jungen.
    «Ich bin bereit.»
    «Und Sie?», wandte ich mich an den kleinen Mann.
    «Ganz bereit», sagte er und hob das Beil in die Luft, sodass es etwa sechzig Zentimeter über dem Finger des Jungen schwebte. Der Junge betrachtete es mit kühler Gelassenheit. Nicht einmal seine Lippen bewegten sich. Er zog nur die Augenbrauen hoch und runzelte die Stirn.
    «In Ordnung», sagte ich. «Fangen Sie an.»
    «Würden Sie wohl laut mitzählen, wenn ich zünde?», bat der Junge.
    «Ja», erwiderte ich. «Selbstverständlich.»
    Mit dem Daumen der rechten Hand öffnete er die Verschlusskappe des Feuerzeugs. Dann rieb er, ebenfalls mit dem Daumen, das Rädchen scharf an. Aus dem Feuerstein sprühte ein Funken, der Docht fing Feuer und brannte mit kleiner gelber Flamme.
    «Eins!», rief ich.
    Er blies die Flamme nicht aus; er drückte die Kappe des Feuerzeugs herunter und wartete ungefähr fünf Sekunden, bevor er sie zum zweiten Mal öffnete.
    Wieder rieb er das Rädchen scharf an, und wieder brannte der Docht mit kleiner Flamme.
    «Zwei!» Ich zählte; die anderen schwiegen. Der Junge blickte starr auf das Feuerzeug. Der kleine Mann hielt das Hackbeil in der erhobenen Hand und blickte ebenfalls auf das Feuerzeug.
    «Drei!»
    «Vier!»
    «Fünf!»
    «Sechs!»
    «Sieben!»
    Offensichtlich war es eines jener Feuerzeuge, die immer funktionieren. Der Feuerstein zündete mit einem großen Funken, und der Docht hatte die richtige Länge. Ich beobachtete, wie der Daumen die Verschlusskappe auf die Flamme schnellen ließ. Dann eine Pause. Dannhob der Daumen von neuem die Kappe. Bei diesem Feuerzeug machte der Daumen alles. Ich holte Luft und bereitete mich darauf vor, acht zu sagen. Der Daumen rieb das Rädchen an. Der Feuerstein sprühte Funken. Die kleine Flamme erschien.
    «Acht!», rief ich, und im gleichen Augenblick öffnete sich die Tür. Wir alle drehten uns um und sahen, dass eine Frau auf der Schwelle stand, eine kleine, schwarzhaarige, ziemlich alte Frau. Sie blieb etwa zwei Sekunden wie erstarrt stehen, dann schrie sie: «Carlos! Carlos!» und stürzte auf den kleinen Mann zu. Sie umklammerte sein Handgelenk, entriss ihm das Beil, warf es auf das Bett, packte ihn an den Aufschlägen seines weißen Jacketts und schüttelte ihn sehr heftig, während sie in einer spanisch klingenden Sprache laut und zornig auf ihn einredete. Sie schüttelte ihn so stark, dass man ihn gar nicht mehr sehen konnte. Seine Umrisse verschwammen nebelhaft wie die Speichen eines kreisenden Rades.
    Schließlich beruhigte sie sich, und der kleine Mann wurde wieder sichtbar. Sie zerrte ihn durch das Zimmer und beförderte ihn mit einem Stoß auf eines der Betten. Dort hockte er nun, blinzelte verstört, betastete seinen Kopf und überzeugte sich, dass er ihn noch bewegen konnte.
    «Es tut mir so leid», sagte die Frau. «Es tut mir so schrecklich leid, dass dies passieren musste.» Sie sprach ein fast akzentfreies Englisch.
    «Ich mache mir solche Vorwürfe», fuhr sie fort. «Wenn ich nicht zum Friseur gegangen wäre   … Nur für zehn Minuten, um mir das Haar waschen zu lassen, und kaum habe ich den Rücken gekehrt, da ist er schon wieder dabei.» Sie war

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