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Und oben sitzt ein Rabe

Und oben sitzt ein Rabe

Titel: Und oben sitzt ein Rabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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der Expedition ins Hotel. Sie brachten die Sachen auf ihr Zimmer und gingen dann noch einmal nach draußen.
    »Weniger«, sagte Baltasar mißmutig, »um meinen adonisischen Leib durch die Abenddämmerung dieses wesentlichen Orts zu schleifen, als vielmehr, um nachher durch ein Fenster zu spähen und ein Zusammentreffen mit Fricke glimpflich zu gestalten.«
    Hoff äußerte sich nicht; er ließ nur seinen Magen knurren.
    Nach etwa einer halben Stunde, als es vollständig dunkel war, kehrten sie zum Hotel zurück.
    Baltasar spähte. »Da sitzt er und schaufelt Kalorien.«
    Er warf einen zweiten Blick hinein. »Aha«, machte er danach, »nun ja, dann hinein.«
    Zielsicheren Schrittes steuerte er auf einen bestimmten Tisch zu, an dem Fricke sie nicht sehen konnte.
    »Wieso gerade hier?« sagte Hoff leise. »Vorn wäre doch auch gegangen.«
    Matzbach seufzte. »Wäre es. Aber wenn er mal auf den Topf will, kommt er an dem Tisch, den du meinst, genau vorbei. Bäh.«
    Sie aßen ein reichliches Mahl und tranken üppige Pokale voll säuerlichen Frankenweines, und weil es ihnen infolge der miserablen Organisation der Veranstaltung an Lektüre gebrach, mußten sie mit der Gesellschaft des jeweils anderen vorliebnehmen, und mit einem Schachbrett. Fricke verschwand relativ bald; sie hörten seine Schritte, durch Teppiche gedämpft, der Treppe zustreben. Zuvor hatte er sich von der Kellnerin und dem Mann, der nicht nur Empfangschef, sondern auch Oberkellner und Besitzer des Hotels war, mit einem müden »Gute Nacht allerseits!« verabschiedet.
    Später winkte Matzbach den Mann herbei und lud ihn zu einem Wein ein.
    »Ab wann könnten Sie uns wecken, und ab wann gibt es Frühstück?«
    »Wann wollen Sie denn weiter?«
    »Wann geht der erste Zug?«
    Sie waren auf ihrem Spaziergang an einem kleinen Bahnhof vorbeigekommen, der sehr an jene Gebäude erinnerte, vor denen in gewissen Filmen harte Männer mit Colts im Gürtel und gelegentlich Fliegen auf der Wange ihr Stelldichein mit dem Schicksal in Gelassenheit erwarten.
    »Der erste geht sehr früh, aber wenn Sie zu einer normal frühen Zeit nach Fulda wollen, so kurz vor halb acht.«
    »Kann man vorher schon frühstücken, oder müssen Sie dann extra für uns den Ofen anwerfen?«
    »Nein, keine Sorge. Der Herr, der vorhin da drüben gesessen hat, will auch mit dem Zug fahren und vorher frühstücken. Außerdem stehen wir hier alle früh auf.«

9. Kapitel
    Auf der Treppe, wo sie, bereits mit ihrem ungeheuren Marschgepäck in der Hand, beim Abstieg zum deutschen Hotelfrühstück einander erstmals an diesem Mittwoch sahen, brach Hoff in heftiges Gelächter aus. »Was hast du denn gemacht? Einen melodramatischen Schub gehabt, was?«
    Matzbach schwieg, indigniert zu früher Morgenstunde. Hoff musterte ihn abermals.
    »Ich gebe zu«, sagte er dann, »wenn ich nicht wüßte, daß du es bist, würde ich dich für ein magenkrankes Nilpferd halten, oder so ähnlich. Aber es steht dir gut. Wen willst du foppen?«
    Baltasar legte einen Finger auf den Mund. Im Frühstücksraum saßen nur zwei Gäste; Fricke war einer davon. Matzbach steuerte wieder einen entfernten Tisch an; Fricke war allerdings zwischen Marmelade und der örtlichen Weltzeitung derart hin und her gerissen, daß er für Passanten kein Auge mehr hatte.
    Bei Kaffee und Marmeladenbrot setzte Baltasar Hoff leise auseinander, was er plante.
    »Ich werde mich, damit er nicht immer nur dich sieht, mit ihm in diesen Zug setzen und nach Fulda fahren, nur, um sicher zu sein, daß er nicht zwischendurch aussteigt. Du wirst bitte mit dem Wagen die gleiche Strecke wie der Zug fahren, soweit dies möglich ist, und an jedem Bahnhof kurz halten, bis du sicher bist, daß weder er noch ich aussteigen. Wahrscheinlich treffen wir uns dann in Fulda. Klar?«
    Henry nickte. »Versteh ich alles, aber sag mir trotzdem: Warum hast du dich angemalt? Jetzt, bei Licht, muß ich dir ein Kompliment machen. Du siehst wirklich völlig anders aus.«
    Baltasar grunzte. »Ich habe mir ein wenig Klopapier in die Schuhe geschoben, um meinen Gang zu verändern. Das siehst du natürlich nicht, wenn ich sitze.«
    »Ich bin begeistert. Der Kandidat wird es besonders dann vermerken, wenn du im Zug wieder sitzt.«
    Baltasar reagierte nicht darauf. »Außerdem habe ich mir mit zwei, drei dünnen Strichen ältere Augen und wehmütige Kerben um den Mund gemacht. Man soll sparsam mit dem wenigen umgehen, was man hat. Der Bleistift war nicht sehr lang. Paß mal auf.«
    Er stand

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