Und oben sitzt ein Rabe
Oberdollendorf. Das kann zu der frühen Stunde sogar hinkommen; die
rush hour
fängt wohl erst so gegen halb acht an, nicht wahr?«
Eva nickte. »Ja, wenn alle Büromenschen unterwegs sind.«
»Okay. Also, er fährt, sagen wir, fünf nach sieben von dir los. Dann könnte er gegen fünf vor halb acht zu Hause sein, sich umziehen und ins Büro kommen. Klar, das schafft er bis Viertel vor acht. Wie lange, glaubst du, hast du noch geschlafen?«
»Vielleicht zwanzig Minuten. Aufstehen, anziehen, Zähne putzen, ab ins Auto. Ich habe vor dem Zähneputzen auf den Wecker geschaut, da war es halb acht.«
Baltasar nickte nachdenklich. »Angenommen, du gehst ungefähr um halb acht aus dem Haus. Wo steht dein Wagen?«
»Wo ich Platz finde. Ich glaube, an dem Morgen mußte ich ein paar Meter gehen, er stand weiter weg als sonst.«
»Gut. Also Abfahrt kurz nach halb acht, sagen wir fünf Minuten?«
Sie nickte, und in ihren Augen glomm eine Frage auf.
Baltasar musterte sie. »Du fährst, denke ich, Trierer Straße, Sternenburgstraße, Argelanderstraße auf die B 9 und dann Richtung Südbrücke.«
Sie nickte erneut, inzwischen deutlich unsicher.
»Wie war der Verkehr?«
»Oh«, sagte sie, »zuerst ging es, aber an der Reuterbrücke wurde es dick.«
»So. Wir haben gesagt, daß Stücker bei freier Strecke etwa zwanzig Minuten braucht. Nun verrat mir, wie du es bei zumindest teilweiser
rush hour
in zehn schaffst.«
»Du hast recht.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich war wohl ziemlich verpennt an dem Morgen, deshalb hab ich mir gar keine Gedanken über die Sache gemacht.«
»Hast du keine Uhr im Wagen?«
»Die ist seit langem kaputt. Die Tankanzeige auch. Ist ja kein Luxusmobil und schon ein bißchen älter.«
Baltasar machte Wulstlippen, ein Zeichen für heftiges Denken. »Diese
rush hour
läßt mich nicht los. Kann sie notfalls auch schon fünf vor halb acht losgehen?«
Sie machte ein zweifelndes Gesicht. »Kann sein. Sie ist aber richtig dick erst so um die zwanzig vor.«
Henry klopfte auf den Tisch. In diesem Moment brachte der Kellner drei Portionen Tagessuppe.
Als sie wieder unter sich waren, sagte Hoff: »Teufel auch, Mastbauch, darauf war ich nicht gekommen.«
Baltasar nickte unbewegt. »Ich weiß. Du bist für die einfacheren Dinge des Daseins wie klares Denken und so nicht geeignet; dafür hast du ja auch Philosophie studiert. Jedenfalls ist es ganz gut, daß ich dich nicht unbeaufsichtigt Detektiv spielen lasse. Weiß der Himmel, was dabei herauskäme.«
Eva blickte von einem zum anderen. Dazu mußte sie sich umdrehen, denn Hoff saß neben ihr.
»Ich glaube«, sagte sie schnippisch, »ihr liebt euch, wie?«
Baltasar schüttelte den Kopf. »Nur alte Ehepaare und gute Feinde gehen so miteinander um. Verheiratet sind wir keineswegs. Was also bleibt? Prost!« Er hob den Suppenlöffel und schlürfte.
Nachdem der Kellner die Suppenteller abgeräumt und die Hauptgerichte gebracht hatte, lehnte Hoff sich wieder vor. Mit einem Messer zielte er auf Baltasars Kehle.
»Also, was machst du daraus?«
Baltasar schnetzelte sein Steak und spießte einen Fetzen Fleisches auf seine Gabel. Indem er diesen unrhythmisch hin und her bewegte, sagte er: »Moment. Erst kommt der Genuß des Leibes, und später die Reue des Verstandes. – Ein paar Fragen, allenfalls, beim Essen. Eva, wo stand an dem Morgen Stückers Wagen?«
Sie musterte ihn, kaute zu Ende, schluckte und sagte: »Wo? Oben bei mir oder vor dem Büro?«
Matzbach seufzte. »Unten. Oder andersrum. Von Stückers Wohnung zum Büro sind es vielleicht hundert Meter. Kam er immer mit dem Wagen ins Büro?«
Eva schüttelte den Kopf; ihre roten Haare flogen apart hin und her. »Nee, zu Fuß. Aber, Moment, an dem Morgen, als ich ins Büro kam, stand sein Wagen auf dem Parkplatz davor. Richtig. Komisch.«
Matzbach verweigerte während seiner Nahrungsaufnahme alle weiteren Auskünfte. Er aß konzentriert. Beim Kaffee sagte er schließlich: »Also, ich fasse zusammen. Stücker stellt deinen Wecker auf kurz vor sieben und verläßt das Haus kurz nach sieben. Beziehungsweise deine Wohnung. Du verläßt sie gegen halb acht, laut Wecker, oder fünf nach halb, und bist gegen Viertel vor acht, laut Bürouhr, im Büro. Stimmt das, habt ihr im Büro eine Uhr?«
»Ja, mehrere. Auf jedem Schreibtisch eine, und außerdem in der Eingangshalle an der Wand.«
»Eine Armbanduhr hast du nicht?«
»Wozu?« Sie wedelte mit ihrem linken Handgelenk, an dem eine nette kleine Perlensammlung
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