Und plötzlich gehörst du ihm...
Brot besser für ihn wäre. Doch tief in
meinem Herzen wusste ich, dass es mir nicht gelingen würde.
Vielleicht hatte ich die
Situation gestern ja auch selbst heraufbeschworen. Vielleicht hätte ich wegen
der paar Einkäufe nicht so wütend werden sollen. Dann wäre vielleicht überhaupt
nichts passiert. Wenn ich verhindern wollte, dass das noch einmal passierte,
würde ich künftig sehr vorsichtig sein und meine Zunge zügeln müssen.
Ich hörte Mike im Schlafzimmer
herumpoltern. Der Schweiß brach mir aus. Ich hielt den Atem an und wartete
gespannt, was passieren würde. Ich hörte, wie er langsam auf das Badezimmer
zukam. Das Herz schlug mir bis zum Hals. Wie betäubt starrte ich auf die
Türklinke. Langsam bewegte sie sich nach unten, und die Türe öffnete sich
langsam.
Mike erschien in der
Türöffnung. Erschrocken schaute er mich an. Ich wendete sofort mein Gesicht ab
und blickte ins Waschbecken. Mike kam ins Badezimmer und griff vorsichtig nach
meinem Kinn. Er drehte meinen Kopf so, dass er ihn von der Seite betrachten
konnte. Ich wagte ihn nicht anzuschauen und schloss die Augen.
»War ich das?«, fragte er mit
bebender Stimme.
Jetzt schaute ich doch hin. Er
widerte mich an. Aber ich hatte auch noch nie dermaßen große Angst vor ihm wie
in diesem Moment.
Die Angst musste in meinen
Augen zu lesen sein, denn Mike begann zu weinen. Er brüllte und schluchzte wie
ein kleines Kind.
»Ich verstehe nicht, wie ich
das gestern habe tun können«, sagte er unter Tränen. »Ich könnte mir in den
Hintern beißen! Wie kann ich nur jemanden, den ich so sehr liebe, derartig
zurichten?«
Ja, das fragte ich mich auch.
Mike musste meinen Zweifel
bemerkt haben, denn er fragte sofort: »Du glaubst mir doch, wenn ich sage, dass
ich dich liebe?«
Ich wusste nicht mehr, wo mir
der Kopf stand. War ich doch so wichtig für ihn, hatte er das alles gar nicht
so gemeint?
»Ich werde es ganz bestimmt nie
wieder tun. Das hätte niemals passieren dürfen«, sagte Mike.
»Nie mehr?«, fragte ich leise.
Mike nahm mich in die Arme.
»Nie mehr! Ich bin doch da, um dich zu beschützen. Sogar mein Leben würde ich
für dich geben«, sagte er.
Ich presste mein schmerzendes
Gesicht an seine Brust. Ich hörte sein Herz schlagen. Er meint es bestimmt
ernst, dachte ich, sonst würde er sich nicht so aufregen. Wenn jemand sagt,
dass er sein Leben für einen geben würde, dann muss er ihn schon sehr lieben.
Ich spürte, wie mir die Tränen über die Wangen liefen.
Ohne mich auch nur einen Moment
loszulassen, fragte Mike: »Du glaubst mir doch?«
»Ja, ich glaube dir.«
»Schön. Dann werden wir jetzt
als Erstes dafür sorgen, dass man die Wunde nicht mehr sieht.«
Mike nahm meine Hand und zog
mich ins Schlafzimmer. Am Bett ließ er mich los und sagte: »Setz dich hin. Es
gibt hier noch ein paar Sachen von Karin. Ich werde mal nachschauen, ob nicht
auch noch etwas Make-up dabei ist. Damit werden wir das schon wegkriegen.«
Ich setzte mich aufs Bett und
wartete ab, was Mike tun würde. Richtig professionell trug er das Make-up auf
mein Gesicht auf. Das Resultat konnte sich sehen lassen, als ich es im Spiegel
begutachtete. Da war kaum noch etwas von der Wunde zu erkennen. Nur der Schmerz
erinnerte mich noch an den gestrigen Vorfall.
Mike war anzumerken, dass er
sich Mühe gab, das Geschehene vergessen zu machen. Ich spürte aber auch, dass
ich dazu nicht in der Lage war. Es war, als wäre etwas zerbrochen.
Gegen fünf Uhr verschwand Mike,
um eine Überraschung für mich zu besorgen. Ich war froh, dass er eine Weile weg
war. So konnte ich wenigstens kurz Atem holen, ohne jedes Wort auf die
Goldwaage legen zu müssen. Sofort ging ich zum Spiegel, um mir mein Gesicht
noch einmal anzuschauen. Ich berührte die Wunde. Es tat immer noch weh. Als ich
das Make-up wegwischte, war der Abdruck der Flasche deutlich zu erkennen.
Wieder musste ich weinen. Während mir die Tränen über das Gesicht strömten,
hörte ich von unten: »Hallo, ist da jemand?«
Es war Kelly.
Schnell antwortete ich, ich sei
oben und würde gleich kommen. Wie der Blitz flitzte ich in Mikes Zimmer und
schnappte mir das Make-up. Hastig schmierte ich mir etwas davon ins Gesicht und
lief nach unten. Ich wollte nicht, dass Kelly etwas sah, geschweige denn etwas
darüber erfuhr, denn ich schämte mich. Ich tat, als sei alles ganz normal, und
begrüßte sie fröhlich.
»Schau mal, was ich dir
mitgebracht habe«, sagte sie und zeigte mir eine Tasche. Neugierig sah ich
Weitere Kostenlose Bücher