...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)
sie und versuchte sich wieder auf den Fall Gabler zu konzentrieren. Aber es gelang ihr nicht. Ihre Gedanken schweiften nach Italien. In Rimini oder Cervia müsste es um diese Jahreszeit noch warm sein. Mit ihrem Mann einige Tage verbringen, nochmal darüber reden, dass sie keine Kinder haben wollte. Noch nicht! Sie hätte doch nicht studieren müssen, um dann mit schmutzigen Windeln und Geplärre den Tag zu verbringen. Nein Jetzt ging das noch nicht. Seit Wochen überlegte sie, wie sie ihrem Mann ihre anstehende Beförderung zum Polizeirätin beibringen sollte. Weber hatte es ihr gesagt, in drei Monaten sollte es soweit sein. Im Vertrauen, hatte er ihr das beim Mittagessen mitgeteilt und dabei mit den Augen gezwinkert.
Mit der Sozietät würde es dann natürlich nichts. Sie müssten nach Wismar umziehen, die Pläne für ein Haus in Pasing aufgeben. Ob das ihr Mann mitmachen würde? Daran hatte sie erhebliche Zweifel.
Sie atmete tief ein und schüttelte den Kopf. Müde blätterte sie wieder in den Akten. Wenn sie einmal annahm, dass Gabler nicht der Täter war, so kamen eigentlich nur drei weitere Personen in Frage, die an Gablers Dienstwaffe kommen konnten. Aber alle drei hatten absolut kein Motiv. Es gab einfach keine Berührungspunkte einfach nichts, was die drei in Verbindung mit dem Fall Maria Wagedorn bringen konnte. Außerdem, wo käme man denn hin, wenn man bei jedem Verbrechen sofort auch die ermittelnden Beamten in den Kreis der Tatverdächtigen mit einbezöge?
Sie schrieb die Namen Martelli, Sänger und Weingart auf ein Stück Papier. Da war sie selbst, aber sie wusste schließlich am besten, dass sie nicht die Täterin war. Dann gab es noch Martelli, aber der hatte eigentlich gegenteilige Interessen, der wollte schließlich die noch lebenden Täter zur Verantwortung ziehen. Martelli schied aus. Auch bei besonders kritischer Betrachtung, er hatte einfach kein Interesse daran, dass die drei übriggebliebenen Täter starben: „Es ergibt doch keinen Sinn, wenn ermittelnde Beamte ihre Tatverdächtigen einfach umbringen und dann die Schuld daran ihren Kollegen in die Schuhe schieben“, sagte sie leise. Nein, Robert Martelli schied selbst in ihrer hypothetischen Betrachtung aus. Etwas so Verrücktes auch nur zu denken, bereitete ihr Kopfschmerzen. Mit einer energischen Bewegung kritzelte sie mehrere Striche durch den Namen ihres Kollegen.
Weingart, der Praktikant? Aber der war nicht raffiniert genug für eine solche Tat. Und dann...! Was hatte der denn schon mit dem Fall Maria Wagedorn zu tun? Er war doch viel zu jung! Dieses Milchgesicht könnte niemals soviel kriminelle Energie entwickeln. Außerdem gehörte ein gehöriges Maß an Kaltblütigkeit dazu, eine solche Mordserie zu planen und in die Tat umzusetzen. Auch diesen Namen strich sie aus.
Selbst wenn man das Motiv außer acht ließe, das Problem einmal von der anderen Seite betrachtete und fragen würde, „Wer wäre in der Lage solche Verbrechen zu planen und durchzuführen?“ Aber auch auf diese Weise kam sie zu keinem Ergebnis. Für dieses Verbrechen kam nur Gerd Gabler in Frage.
Sie selbst würde es sich zutrauen, streng nach der nötigen Logistik und Planungsfähigkeit zu urteilen. Auch Martelli wäre wohl routiniert und auch kaltblütig genug so ein Verbrechen durchzuführen. Aber sie selbst war es nicht und Martelli hatte so viel mit seiner verkorksten Ehe zu tun, er hätte nicht die Zeit, abgesehen davon, dass weit und breit kein Motiv zu erkennen war. Wenn Gabler wirklich unschuldig war, dann musste es jemand von außen sein, der die Fäden zog.
Der Vater von Maria Wagedorn?
Sie hatte mit ihm gesprochen. Er war ein einfacher Mann. Zu einfältig für solche Taten. Er war einfach nicht schlau genug. Außerdem hatte er von einer Tochter nichts wissen wollen, warum sollte er sie dann rächen...?, jetzt, nach vierundzwanzig Jahren! Außerdem wäre er jetzt viel zu alt. Das alles passte einfach nicht zusammen.
Und da war noch dieser Bruder. Nach ihrer Rechnung müsste der jetzt achtunddreißig oder vierzig Jahre alt sein. Leider war er unauffindbar. Sie hatte in allen Nachbargemeinden von Reinberg nachgefragt, aber er war nirgendwo gemeldet. Selbst die Anfrage im Zentralregister der Meldebehörden hatte nichts ergeben. Das Heim, in welchem er aufwuchs war längst schon geschlossen und die Unterlagen hatte man nach zehn Jahren vernichtet, so wie das Gesetz es vorschrieb. Manchmal hatte man Glück und die Dokumente und Unterlagen überdauerten
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