...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)
die vorgeschriebene Zeit, aber die Bauten wurden von einem Altersheim übernommen, nachdem das Heim geschlossen wurde und die brauchten Platz. Elektronische Datenerfassung gab es damals noch nicht und so blieb das Schicksal des Jungen im Dunkeln.
Aber selbst wenn er hinter diesem perfiden Plan steckte, woher hätte er wissen sollen, wer damals seine Schwester ermordet hatte? Außerdem hätte er Zugang zu den geheimsten Ermittlungsdaten der Polizei haben müssen. Und dann war da noch Gablers Pistole! Wie hätte er an die wohl kommen sollen!? Nein..., dachte sie, dieser Gedanke war einfach absurd!
Nachdenklich betrachtete sie das Ergebnis ihrer Überlegungen und grinste. Blieb nur noch ihr eigener Name übrig stellte sie fest. Sie hatte vergessen ihn auszustreichen. Mit einem Seufzen strich sie auch ihren Namen aus, knüllte den Zettel zu einer kleinen Kugel zusammen und warf ihn gezielt in den Papierkorb. Sie konnte es drehen und wenden wie sie wollte, es gab keine andere Möglichkeit, Gerd Gabler war der Täter, das ließ sich einfach nicht in Zweifel ziehen. In diesem Fall gab es nur eine einzige winzige Auffälligkeit; und das war der Tod von Mario Micoliç.
***
Anders als die beiden anderen, fiel er einem Unfall zum Opfer. Die Hamburger Polizei hatte herausgefunden, dass ein Fremder in seiner Wohnung gewesen sein musste. Die beiden hatten sich gestritten, dabei hatte der Gast seinem Gastgeber einen Kinnhaken verpasst und dieser ist unglücklich auf die Kante des Glastisches gefallen. Dies alles hatten die Kollegen von der Forensik in beeindruckend kurzer Zeit herausgefunden. Jan Hansen hatte seinem Freund zum Gefallen die Untersuchungen vorangetrieben, weil er wusste, wie dringend er die Ergebnisse in München brauchte. Ein Hausbewohner hatte den Mann, der Mario Micoliç besuchte sogar gesehen. Aber das einzige was er über ihn sagen konnte war, dass er groß und kräftig gebaut und vermutlich ein Bayer war oder ein Spaßvogel, der sich als Bayer ausgab. Er grüßte nämlich so komisch und diesen Gruß hatte der Hausbewohner in seinem letzten Jahresurlaub in Prien am Chiemsee gehört. Dunkelbraune oder schwarze Haare soll er gehabt haben, aber das konnte der Zeuge nicht mit Bestimmtheit sagen, dafür war es im Hausflur zu dunkel gewesen, sagte er. Genauer konnte er den Mann nicht beschreiben, dafür hatte er nicht aufmerksam genug hingesehen, sagte er.
Um Gabler konnte es sich nicht handeln, denn erstens hatte er ein Alibi und zweitens war seine Statur eher klein und gedrungen. Außerdem hatte er blonde Haare und das wäre dem Zeugen bestimmt aufgefallen. Sie nahm sich vor, am nächsten Tag Jan Hansen anzurufen. Etwas stimmte nicht an dem Unfall Mario Micoliç. Wenn man nur herausbekommen könnte, worüber er sich mit seinem Gast gestritten hatte. Sie nahm sich vor, die Bahnverbindungen an dem Tag zu überprüfen. Weber würde ihr keine großen Ermittlungen bewilligen aber vielleicht ist ja dem Zugpersonal etwas aufgefallen, dachte sie. Vor Jahren hätte man die Schalterbeamten befragen können, aber seit es Fahrkartenautomaten gab, brachte das meist nicht viel. Wenn jemand wirklich unerkannt verreisen will, so lässt sich das in der heutigen Zeit sehr leicht und ohne dass man Spuren hinterlässt bewerkstelligen.
Natürlich blieb immer noch die Möglichkeit, dass der Tod Micoliçs auf ein Zusammentreffen von Zufällen und keine geplante Handlung zurückzuführen war. Sie dachte an den freudschen Ausspruch, den sie in einem Seminar über Psychoanalyse auf der FH einmal von einem Dozenten gehört hatte: „Manchmal ist eine Zigarre eben nur eine Zigarre!“
„Und manchmal ist ein Zufall eben nur ein Zufall“, sagte sie lächelnd.
Müde schlug sie die Akte zu und sah zum Fenster hinaus: „Ich sollte das ganze hier einfach sein lassen“, sagte sie wütend auf sich selbst. Aber sie hatte Gabler versprochen sich den Fall noch einmal anzusehen. Sie mochte ihn und auch wenn sie jetzt lieber in Italien am Strand läge, so wollte sie ihn doch nicht enttäuschen. Sie würde morgen weitermachen, heute war sie einfach nicht mehr fit genug. Außerdem wäre Weingart, Martellis Praktikant wieder da und dem könnte sie, ohne dass Weber es merkte, für ihre Ermittlungen einspannen.
„Für heute ist Schluss“, sagte sie zu sich selbst, stand auf und ging zu der tristen kleinen Garderobe hinüber. Sie nahm sich ihren Mantel vom Haken und griff sich Martellis Regenschirm. Er würde ihn heute gewiss nicht brauchen,
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