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...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)

...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)

Titel: ...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olaf Borkner-Delcarlo
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stattfanden.
    „Möchten Sie das Grab besuchen?“, fragte die Dame leise.
    Die Kommissarin nickte: „Gern..., das würde ich wirklich gerne tun.“
    Die Dame legte sanft ihre alte Hand auf Sonjas Arm.
    „Übermorgen“, sagte sie leise, „Übermorgen, wenn Ihnen das recht ist.“
    Die Kommissarin nickte.

Kapitel 23
    Reinberg, Sonntag 29. Oktober 1995
    Es war ihr letzter Tag. Sie hatte sich vorgenommen, die Mütter von Micoliç und Pavliç aufzusuchen. Der Empfang bei der Mutter von Mario Micoliç war freundlich, aber irgendwie auch gekünstelt. Sie überfiel sie sofort mit der Mitteilung, dass vor einiger Zeit ein Kriminalhauptkommissar Martelli bei ihr vorgesprochen hatte.
    „Ein freundlicher Herr“, sagte sie, „und so interessiert! Sogar das Zimmer meines Sohnes hat er sich ansehen wollen. Wirklich ein sehr feiner Mensch.“
    Die Kommissarin war zuerst verblüfft, dann wurde sie wütend. Wie konnte Robert Ermittlungen auf eigene Faust anstellen, ohne dem Team etwas davon mitzuteilen. Sie nahm sich vor, ihn nach ihrer Rückkehr darauf anzusprechen.
    ***
    Und dann begann Frau Micoliç zu erzählen. Sie sprach von ihrem Sohn, lobte ihn in den höchsten Tönen. Ein guter Junge sei er gewesen und niemals hätte er einer Fliege etwas zu Leide tun können. Und so hilfsbereit! Daran könnten sich manche ein Beispiel nehmen. Nur die alte Griesbacher, die Hexe, die hätte ihn nicht leiden können. Aber als er dann von der Volksschule aufs Gymnasium in der Kreisstadt wechselte, da wären die Lehrer viel besser mit ihm zurechtgekommen, die hätten einen Goldjungen wie ihn wirklich schätzen können. Und nun sei er tot.
    „Im Dienste der Gerechtigkeit gestorben!“, so sagte Frau Micoliç. Mit dem Mord an Maria Wagedorn hätte er nichts zu tun gehabt, das habe die Polizei damals einwandfrei bewiesen. Im Gegenteil, er war es doch, der Maria immer vor den anderen Jungs beschützt hatte. Aber dieses Flittchen hatte es ja mit jedem getrieben. Und wenn man es recht bedenkt, dann hätte sie ihr bitteres Ende selbst verschuldet, ja geradezu verdient.
    Und ihre Mutter!? Sie hätte doch eine anständige Arbeit gehabt, beim Bauern hatte sie gearbeitet. Aber nein! Das ehrlich verdiente Geld hätte ihr ja nicht genügt. Kündigen hat sie müssen. Und das, obwohl sie keine Ausbildung hatte. Das ganze Dorf habe sie verrückt gemacht. Und man war froh, als sie endlich nicht mehr da war.
    „Totgesoffen hat sie sich, wenn Sie verstehen was ich meine!“, sagte Frau Micoliç in ihrem blumigen, weit ausgestellten Sommerkleid, das so gar nicht zu ihr passte.
    ***
    Der Abschied war kurz und förmlich. Frau Sänger hatte gehofft, den Herrn des Hauses kennenzulernen, aber der ließ sich verleugnen. Obwohl sie deutlich Schritte im Zimmer nebenan gehört hatte, sagte ihr Frau Micoliç, dass ihr Mann nicht zu Haus sei und erst gegen Abend wieder zurück kommen würde. Der Kommissarin war das gleichgültig. Der Fall war abgeschlossen und die Aussage ihres Mannes hätte das Bild, dass sie von dem Dorf und seinen Bewohnern hatte nur abgerundet, jedoch kaum geändert. Sie selbst war in der Stadt aufgewachsen, konnte sich kein Bild davon machen, wie das Leben auf dem Dorf so ablief. Das, was sie kennengelernt hatte gefiel ihr jedoch überhaupt nicht.
    Den Besuch bei Frau Pavliç ersparte sich die Kommissarin. Sie hatte keine Lust sich das moralinsaure Geschwätz dieser Bürgerfrau auch noch anzuhören.
    ***
    Sie war bereits auf der Straße, als sie bemerkte, dass ein kleines Männchen sie verfolgte. Kaum war sie außer Sichtweite des Hauses Micoliç, da beschleunigte der Mann seinen Schritt und ging für eine Weile einen halben Meter hinter ihr her. Frau Sänger war das unangenehm und beschleunigte ihren Schritt, aber das Männchen hielt das Tempo, auch wenn man am leicht asthmatischen Keuchen hörte, dass es ihm schwer fiel. Endlich rief er mit erschöpfter Stimme: „Nun rennen Sie doch nicht so, bleiben Sie bitte stehen!“
    Die Kommissarin hielt ruckartig an und drehte sich um. Sie sah mitleidig lächelnd auf den Mann hinunter. Sein Alter war schwer zu schätzen, er mochte sechzig, vielleicht fünfundsechzig Jahre alt sein. Fast eine Haupteslänge fehlte ihm, um der Kommissarin in die Augen sehen zu können. Sein Kopf glich einer rosa, fast roten, auf Hochglanz polierten Billiardkugel, eingefasst von einem schüttereren und graumelierten Haarkranz. Bekleidet war er mit einer unmodernen dünne Hausjacke, ergänzt durch eine alte, an den Knien

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