...und plötzlich war alles ganz anders... (Kriminalromane) (German Edition)
er ebenfalls zustechen können. Gepaart mit seinem Charakter war das eine gefährliche Mischung. Er hat sich immer ein Beispiel an seinem Freund genommen und das war sein größter Fehler.“
Ruhig nahm sie die Tasse auf und trank einen Schluck: „Nun ja..., seit damals ist er ja ein gestandener Unternehmer, hat wohl die Fabrik seines Vaters übernommen. Er und seine Familie wohnen schon längst nicht mehr im Dorf. Sie sind vor Jahren schon in die Kreisstadt gezogen. Hier bei uns habe ich ihn schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen.“
Der Kommissarin blieb bei den Ausführungen der alten Dame das Kuchenstück im Halse stecken. Mit offenem Mund starrte sie Frau Griesbacher an, brachte jedoch kein Wort heraus.
„Überrascht es sie, dass ich das wusste?“ Die alte Dame war sich so sicher, dass sie nicht einmal nachfragte, ob ihre Vermutung richtig war.
Wortlos nickte die Kommissarin. Sie starrte immer noch die Dame an und konnte es nicht fassen. Der Fall hätte bereits vor vierundzwanzig Jahren aufgeklärt werden können, die Polizei hätte damals nur etwas sorgfältiger ermitteln müssen.
„Aber wenn Sie das alles wussten, warum sind Sie dann nicht zur Polizei gegangen?“
„Bin ich doch...“, sagte sie mit einem Anflug von Entrüstung: „Aber die wollten mich nicht einmal anhören! Außerdem hätte ich es nicht beweisen können, sagten die Beamten. Und damit hatten sie natürlich recht.“ Auf der zarten und brüchigen Haut ihrer Stirn zeigten sich kleine Schweißperlen.
„Als ich damals von dem Mord hörte, da wusste ich sofort; das kann nur er getan haben...!“
Sie stellte die Tasse wieder zurück und schaute mit verhangenem Blick zum Fenster hinaus. Ohne die Kommissarin anzusehen fing sie an zu erzählen.
„Mario Micoliç ist ein von Grund auf böser Mensch. Ich sag das nicht gern, aber bereits als Kind war er böse und widerwärtig. Damit meine ich nicht die Streiche, an denen er beteiligt war. Das machen alle Jungens in diesem Alter. Aber er konnte eine Katze zu Tode quälen und dabei zusehen, wie sie elendiglich verreckte. Ich hab das einmal selbst mit ansehen müssen. Als er etwa zwölf Jahre alt war, da ertrank im Winter sein Kumpane im Dorfweiher... Josef hieß er glaube ich. Sie sind zusammen Schlittschuh gelaufen. Nur Mario kam zurück. Er hat keine Hilfe geholt, niemandem etwas gesagt. Der arme Josef wurde erst am nächsten Tag gefunden. Ein Bauer hatte damals beobachtet, wie er vor dem Loch im See stand und ständig hinein sah. Er hatte behauptet, einen Fisch beobachtet zu haben, aber ich war mir sicher; er hat seinem Freund beim Ertrinken zugesehen. Er ist ein abgrundtief böser Mensch, davon bin ich überzeugt. In der Grundschule war ich seine Lehrerin..., vier Klassen hatte ich ihn. Er ist hochintelligent, aber eben böse. Er hat Spaß daran anderen Menschen Schmerz zuzufügen und keiner ist mit ihm fertig geworden, weder seine Mutter noch einer von den Lehrern.“
Nachdenklich blickte sie vor sich auf die Tasse: „Auch ich nicht..., obwohl ich es wirklich versucht habe“, sagte sie leise. Langsam hob sie den Blick und sah der Kommissarin in die Augen: „Sie wundern sich vielleicht warum gerade ich, eine ehemalige Pädagogin das sage, aber er hat mich davon überzeugt, dass es böse veranlagte Menschen gibt. Und ich bin absolut sicher, dass er seinen Freund Malte Pieper ebenfalls auf dem Gewissen hat.“ Sie überlegte einen Moment, dann sagte sie, „Gewissen kann man schlecht sagen, denn über so etwas verfügt er nicht!“
Die Kommissarin wusste von dem Tod Malte Piepers. Dass es ein Unfall war, stützte sich nur auf die Aussage von Mario Micoliç. Und der war tot, konnte also nichts mehr dazu sagen! Irgend jemand hatte ihn in Hamburg erschlagen und die dortige Polizei fahndete nach ihm.
„Es waren fünf Täter damals, soviel konnten wir ermitteln.“
„Dann war Peter Pavliç bestimmt auch dabei! Stimmt's...? Die drei steckten doch immer zusammen. Mario war der Anführer der Clique, was er sagte, führten die anderen aus. Und sie mussten auch die Prügel einstecken, wenn sie erwischt wurden. Mario hielt sich immer fein heraus aus allem. Im Gegenteil, wenn es ihm in den Kram passte, dann verpfiff er seine Freunde sogar. Das für mich völlig Unverständliche dabei ist; sie schienen es ihm nicht krumm zu nehmen, gehorchten ihm blind und ohne Widerspruch. Mich hat das immer an das Dritte Reich erinnert. Mit solchen Menschen kann man Diktaturen bauen, die tun alles, wenn man
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