Und plötzlich warst du wieder da
Presse durch den Dreck ziehen.“
Lucas ließ sich nicht beeindrucken. Das Leben im Allgemeinen und Everett Kincaid im Besonderen hatten ihm beigebracht, dass man manchmal auch skrupellos sein musste. „Willst du es darauf ankommen lassen?“
„Nadia, verkrampf dich nicht so. Niemand nimmt dir das Steuerrad weg. Du brauchst es nicht so festzuhalten.“
Nadia warf Lucas, der neben ihr in seinem Mercedes saß, einen ängstlichen Blick zu. Sie schaffte es einfach nicht, locker zu bleiben. Jeder Muskel in ihrem Körper zitterte vor Anspannung. Und wer ihre Geschichte kannte, musste das verstehen. Ihre Mutter war bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Durch einen zweiten hatte sie ihr Baby verloren und wäre zusammen mit ihrem Mann fast selbst gestorben. Das ließ sich nicht so ohne Weiteres verdrängen.
Nadia wollte das alles nicht. Sie wollte keine Fahrstunden. Sie wollte nicht in Dallas sein, nicht in diesem Auto sitzen. Und erst recht wollte sie das nicht mit diesem Mann, der ihre Liebe verraten hatte und auch danach nicht davor zurückschreckte, sie mit allen Mitteln zu manipulieren. Lucas schien sich zu einem Meister darin entwickelt zu haben – genau wie Everett Kincaid.
Andererseits musste sie sich eingestehen, dass sie diese etwas gereiftere Version von Lucas Stone, seine Willensstärke und sogar seine unverschämte Art fast noch attraktiver fand als den jüngeren Lucas von einst. Was natürlich nicht heißen konnte, dass sie auch bereit war, sich wieder auf ihn einzulassen. Auch wenn er noch besser küsste als damals, kam das nicht infrage.
Und daran durfte sie ausgerechnet jetzt nicht denken. Sie war schon nervös genug. Seit sie hier waren, wünschte sie sich insgeheim, dass gleich ein Polizeiwagen auf diesem riesigen, verlassenen Parkplatz auftauchte und die Beamten dem Spuk ein Ende bereiteten.
„Dürfen wir eigentlich hier sein?“, fragte sie. „Ich habe am Eingang deutlich das Schild ‚Durchfahrt verboten‘ gesehen.“
„Das ist Privatgelände. Den Besitzer kenne ich zufällig.“
„Das bist nicht zufällig du selbst, oder?“
„Doch. Aber versuche jetzt nicht abzulenken. Dreh den Zündschlüssel, und starte den Motor.“
Gut, sie würde es irgendwie durchstehen. So schwierig konnte es doch nicht sein. Doch sosehr sie sich bemühte, Nadia brachte es nicht fertig, das Steuer loszulassen. Ihre Knöchel traten weiß hervor, so fest umklammerte sie es.
„Nadia, schau mich einmal an.“
Sie zwang sich dazu, ihm ins Gesicht zu sehen. Und zu ihrem Erstaunen begegnete sie nur einem sanften Lächeln. Auf seiner Miene spiegelte sich nicht die geringste Spur von Ungeduld.
„Es ist wirklich nicht so schlimm. Im Prinzip ist es nicht anders, als auf dem Jahrmarkt Autoskooter zu fahren. Das hat dir doch auch Spaß gemacht.“
Sie nickte. Aber musste er sie jetzt an frühere, glücklichere Zeiten erinnern? Jahrmarkt – auch das gehörte zu den Dingen, die sie erst durch ihn kennengelernt hatte. Die Kincaids hielten solche Vergnügungsstätten generell für etwas, das unter ihrer Würde war. Mit Lucas hatte Nadia dort jedoch einen Heidenspaß gehabt.
„Hier ist es sogar noch einfacher, weil niemand da ist, der versucht, dich zu rammen. Der ganze Platz gehört dir. Es gibt niemanden, der uns stört.“
„Das sagt sich alles so leicht.“ Sie seufzte.
„Die Pedale da unten sind auch nichts Besonderes. Sie funktionieren genauso wie in den Elektro-Carts auf dem Golfplatz, und die hast du auch schon gefahren.“ Nadia zögerte noch immer. „Und jetzt fahr einfach los.“ Bei aller Geduld blieb Lucas unerbittlich. „Wir fahren nicht eher von diesem Parkplatz herunter, bis du nicht wenigstens eine Runde gedreht hast.“
Nadia kam sich erbärmlich vor. Die größten Dummköpfe konnten Auto fahren. Warum sollte ausgerechnet sie davor kapitulieren? Sie musste sich zusammennehmen. „Na schön. Eine Runde.“
„Einmal ums Gelände, dann kannst du den Wagen parken.“
Eine Runde – das musste doch zu schaffen sein. Nadia ließ den Motor an. Im Zeitlupentempo nahm sie den Fuß von der Bremse und tippte aufs Gaspedal. Abgesehen davon, dass der Motor kurz aufheulte, geschah nichts.
„Nimm den Fuß zurück auf die Bremse, und lege diesen Hebel hier auf ‚Drive‘“, sagte Lucas ruhig.
Wie blamabel. Er hält mich bestimmt für eine Vollidiotin, dachte sie beschämt und war dankbar, weil er sich nichts anmerken ließ. Er war die Ruhe in Person. Wie der Lucas von einst, der ihr so viel
Weitere Kostenlose Bücher