Und plötzlich warst du wieder da
hereinkommen?“
Die Einladung war eindeutig, und Nadia hoffte, er würde sie annehmen. Sie wollte in dieser Nacht nicht allein bleiben. Es war so schön mit ihm gewesen, schöner als je zuvor.
Lucas wirkte jedoch nicht so, als würde er ihr Angebot annehmen. Aus irgendeinem Grund schien er aufgebracht zu sein.
„Was ist mit dir los, Lucas?“, fragte sie ihn.
„Gute Nacht, Nadia“, sagte er, anstatt eine Antwort zu geben.
Er drehte sich um und wollte gehen, aber Nadia hielt ihn am Arm fest. „Ich darf hier zwar keine Partys geben. Aber davon, dass ich niemanden mitbringen darf, steht nichts im Testament.“
Ein Muskel zuckte in seiner Schläfe. „Leg dich hin und schlaf“, meinte Lucas kurz angebunden. „Morgen musst du früh aufstehen. Dann gebe ich dir deine nächste Fahrstunde, und anschließend schauen wir uns zusammen die öffentlichen Gärten in der Stadt an.“
Bevor Nadia etwas einwenden konnte, hatte er ihr einen flüchtigen Kuss gegeben und war in sein Apartment gegangen. Sie hörte, wie das Schloss zuschnappte. Verwirrt stand Nadia da und schüttelte den Kopf.
„Mach die Augen zu.“
Nadia, die gerade in den Anblick zauberhaft schöner Lilien versunken war, hob den Kopf und sah Lucas erstaunt an. „Warum?“
„Frag nicht, mach es einfach.“ Er lächelte sie an.
Sie runzelte die Stirn. Sein Befehlston ging ihr manchmal auf die Nerven, und das erinnerte sie an ihren Vater.
Lucas schob seine Sonnenbrille hoch. Dass seine blauen Augen sie immer noch derart faszinierten, daran hatte sich auch nach elf Jahren nichts geändert.
Er zog aus der hinteren Tasche seiner Jeans ein weißes Taschentuch hervor und faltete es erst zu einem Dreieck und dann weiter, sodass es eine längliche Binde ergab.
Nadia sah ihn erstaunt an. „Was kommt denn jetzt? Spielen wir Blindekuh?“
„So etwas Ähnliches.“
Ihr Herz schlug unwillkürlich schneller. Sie hatte noch nie beim Sex experimentiert. Und sie konnte sich nicht vorstellen, dass Lucas hier damit anfangen wollte – am helllichten Tag in den öffentlichen Grünanlagen des Botanischen Gartens. Nadia wunderte sich selbst, wie sie auf solche Ideen kommen konnte. Es konnte nur an den Nachwirkungen der vergangenen Nacht liegen. Es war einzigartig gewesen. Seitdem konnte sie an überhaupt nichts anderes mehr denken. Und wenn sie ehrlich war, hatte sie sich seit Jahren nicht mehr so glücklich gefühlt.
„Hast du nicht behauptet, du kennst dich inzwischen perfekt in der Küche aus? Wir machen einen Test. Ich führe dich jetzt zu einem Duftgarten“, erklärte Lucas. „Er ist eigentlich für blinde Menschen angelegt worden.“
Unwillkürlich drehte Nadia sich um.
„Nicht gucken“, sagte er und hielt sie fest.
Nadia fühlte sich unwillkürlich an früher erinnert. Lucas hatte ihr auf dem Grundstück von Kincaid Manor Pflanzen gezeigt, die sie vorher noch nie bemerkt hatte. Wundervolle Stunden hatten sie dort verbracht. Okay, sagte sie sich, soll er seinen Spaß haben, und lächelte. „Aber nicht die Augen verbinden“, bat sie.
„Warum nicht? Hast du kein Vertrauen zu mir?“
Das war eine schwierige Frage. Würde Nadia nach allem, was geschehen war, ihm je wieder so vorbehaltlos vertrauen können wie damals? Auch wenn sie seine Gründe inzwischen nachvollziehen konnte, aus denen er das Geld ihres Vaters angenommen hatte, fiel ihr die Antwort darauf schwer. „Na schön, dann mach es.“
Lucas trat hinter sie. Er strich ihr durchs Haar, um die Enden hinter ihrem Kopf verknoten zu können. Nadia fand es erstaunlich, wie empfindlich sie auf jede seiner Berührungen reagierte. Sie lehnte sich leicht an ihn, und er umarmte sie von hinten. Sie spürte seine Wärme und bildete sich ein, jetzt, da sie nichts mehr sehen konnte, ihn umso besser fühlen und riechen zu können. Seufzend lehnte sie den Kopf gegen seine Schulter und befeuchtete sich unwillkürlich die Lippen. Sie konnte nur daran denken, wie sehr sie sich nach einem Kuss von ihm verzehrte. Und schon spürte sie seine Lippen zart auf ihrem Hals.
„Bist du so weit?“, fragte er leise.
Sie nickte. Schon längst, dachte sie, aber nicht hier vor allen Leuten.
Lucas nahm sie bei den Schultern, drehte sie um und führte sie ein Stück weiter. Dann blieben sie stehen. Er bückte sich offenbar. Im nächsten Moment hielt er ihr etwas unter die Nase und rieb leicht mit den Fingerspitzen daran. „Riech mal daran, und sag mir, was das ist.“
Nadia brauchte nicht lange zu raten.
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