Und plötzlich warst du wieder da
meiner Familie zur Last zu fallen. Dein Vater hat sehr genau gewusst, wie viel uns der Krankenhausaufenthalt und die Operationen kosteten. Da er mich gefeuert hatte, war meine Krankenversicherung weg. Aber wenn ich nicht in Behandlung geblieben wäre, hätte ich überhaupt keine Chance gehabt, jemals wieder auf die Beine zu kommen. Schon vorher hatten mein Gehalt und das meiner Mutter gerade für uns gereicht.“
Er fuhr fort: „Was sollte ich machen? Es war kein Geld für die Ausbildung meiner Schwestern da. Wir hätten ohne fremde Hilfe nicht einmal ein Dach über dem Kopf gehabt, denn es gab nur die beiden Möglichkeiten, dass ich entweder im Krankenhaus blieb und sich die horrenden Behandlungskosten weiter häuften oder dass ich nie wieder würde arbeiten können. Beides konnten wir uns nicht leisten.“
Nadia seufzte. Sie begann zu verstehen. „Ich hätte mir gleich denken können, dass du das Geld nicht einfach für dich ge nommen hast. Du hast immer zur Familie gehalten. ‚Meine Mädchen‘ hast du früher gesagt, wenn du von deiner Mutter und deinen Schwestern gesprochen hast.“ Bei der Erinnerung wurde ihr das Herz schwer. Für kurze Zeit, nur für ein paar Monate, hatte sie auch zu seinen Mädchen gehört. Sie mochte es, wenn er das sagte.
Lucas winkte ab. „Das ist nichts Besonderes. Ich meine, hätten das deine Brüder für dich nicht auch getan?“
„Ja, das stimmt. Sie würden alles für mich tun. Schon deshalb werde ich hier bis zum bitteren Ende ausharren.“
Er schenkte ihr Champagner nach. Dann berührte Lucas zart ihren Bauch und fragte sanft: „Und was hast du erlitten, Nadia?“
Sie zerkrümelte den Kuchen auf ihrem Teller mit der Gabel, aß aber nicht weiter. Nach einer Weile sagte sie: „Tja, was ist passiert? Ich habe unseren Sohn verloren – und zugleich die Möglichkeit, Kinder zu bekommen. Sie mussten mir die Gebärmutter entfernen.“
Unseren Sohn . Er verspürte einen schmerzhaften Stich. Aber Lucas konnte sich nicht von diesen Erinnerungen überwältigen lassen. Es hatte keinen Zweck, um etwas zu kämpfen, was nicht mehr zu ändern war. Damals hatten sie gemeinsam Pläne geschmiedet und von einer großen Familie mit vielen Kindern geträumt. Nadia hatte sich gewünscht, dass der Altersunterschied zwischen ihnen nicht so groß sein sollte.
„Es tut mir leid“, sagte er leise.
Nadia zuckte nur die Schultern und trank ihr Glas leer. Er wusste, was das bedeutete: Er sollte nicht merken, dass es ihr schwerfiel, die Tränen zurückzuhalten. „Ich hätte mir natürlich mit einer Schönheitsoperation die Narbe wegmachen lassen können. Aber was soll’s? Kein Arzt kann mir zurückgeben, was mir genommen worden ist.“
„Warum hast du nicht wieder geheiratet?“, fragte er weiter. Eine solche Gelegenheit, offen miteinander zu reden, ergab sich vielleicht nie wieder. Und irgendwie wollte Lucas doch mehr über die Zeit erfahren, in der sie einander nie gesehen hatten. „Weil du keine Kinder mehr bekommen kannst?“
Nadia überlegte kurz. Dann meinte sie: „Nein, das war nicht das Ausschlaggebende. Nach meinem … nach unserem Unfall habe ich herausgefunden, dass mit meiner Mutter etwas nicht ganz in Ordnung war. Sie hat Daddys Oldtimer-Sportwagen ungebremst gegen einen Baum gefahren. Ich habe erst später erfahren, dass es kein Unfall gewesen ist.“ Nadia verstummte.
„Nicht ganz in Ordnung heißt – was …?“, erkundigte Lucas sich vorsichtig.
„Sie litt unter schweren Depressionen. Genauer gesagt war sie manisch-depressiv. Und da diese Krankheit erblich ist, habe ich beschlossen, keine eigene Familie zu haben und auch keine Kinder zu adoptieren. Das Risiko ist mir zu hoch. Auch wenn mir sämtliche Psychiater, die Dad mir vermittelt hat, versichern, dass ich vollkommen gesund bin.“
Lucas musste an die Geschichten über ihr wildes Leben denken, die er in den vergangenen Jahren in den Klatschspalten gelesen hatte. Schon als er das gelesen hatte, war es ihm vorgekommen, dass sie so lebte, als gäbe es kein Morgen mehr. Vielleicht empfand sie es tatsächlich so.
Nadia beugte sich leicht vor, und da sie sein Hemd nur bis zur Hälfte zugeknöpft hatte, sah er ihre wundervollen Brüste. Sofort erwachte sein Verlangen aufs Neue. Er hatte den Geruch von ihr noch in der Nase und große Lust, es wieder zu tun. Trotzdem unterdrückte er diesen Wunsch. Jetzt wollte er die Gelegenheit nutzen und mit ihr reden.
„Willst du mit mir nach Singapur kommen?“, fragte er
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