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Und plotzlich ist es Gluck

Und plotzlich ist es Gluck

Titel: Und plotzlich ist es Gluck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Geraghty Ciara
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stoppen. Hailey putzt, besser gesagt, sie räumt auf. Mir ist aufgefallen, dass sie weder unter den Betten saugt noch Sofias Porzellanfigurensammlung verschiebt, wenn sie abstaubt.
    Sie ist ein großer Fan von Grünlilien. Wann immer ich komme, hat sie wieder ein Exemplar eingeschmuggelt und an einem unauffälligen Platz deponiert, bis man sich eines Tages umsieht und alles wimmelt von Grünlilien. Sie stehen auf den Spülkästen der Toiletten, auf der Fensterbank in der Küche, auf dem Bücherregal, auf den Nachttischen, eine baumelt sogar an einem wackeligen Wandhaken, den
Red montiert hat. Heimwerkermäßig ist Red nicht ganz so fit wie mit der Wäsche.
    Seltsamerweise komme ich mir nicht heimatlos vor. Im Gegenteil, ich fühle mich bei allen von ihnen wie zu Hause. In mein eigenes Zuhause, das bereits auf mich wartet, will ich noch nicht einziehen. Nicht ohne Ellen.
    Ich tue so, als hätte ich nicht bemerkt, dass ich an den Donnerstagen zusehends aufgeregt bin. Anfangs ging es erst am Nachmittag los, dann schon am Donnerstagvormittag, und mittlerweile habe ich bereits am Mittwochabend Schmetterlinge im Bauch. Es fühlt sich an wie damals, als sich Ellen das erste Mal bewegt hat.
    Es kommt mir falsch vor, Schmetterlinge im Bauch zu haben, während meine Tochter auf der Intensivstation liegt. Selbst wenn es nur noch die Light-Variante ist und sie sämtliche Erwartungen übertrifft. Selbst der strengste Arzt lächelt bei ihrem Anblick, ganz verhalten, als wollte er es sich nicht anmerken lassen.
    Am Donnerstagabend husche ich neuerdings hinunter in die Toilette im Erdgeschoss, wo es einen gut beleuchteten Spiegel gibt. Dort wasche ich mir das Gesicht und trage etwas Make-up auf. Gerade so viel, dass es so aussieht, als wäre es noch von morgens übrig.
    Ich tupfe mir etwas Parfüm hinter die Ohren, putze mir die Zähne, das Zahnfleisch, die Zunge. Dann kommt die Zahnseide. Ich sehe in den Spiegel und lächle. Ein ironisches Lächeln. Ein charmantes Lächeln. Ein herzliches Lächeln. Ein freundliches Lächeln. Als mir bewusst wird, dass ich lächeln übe, höre ich sofort auf damit.
    Ich sage mir, dass ich mich nur etwas frischmache. Maureen würde es »sich herausputzen« nennen. Filly würde sagen, dass ich mich auf Red Butler vorbereite.

    Dieser Donnerstagabend ist anders. Eigentlich wegen morgen. Morgen kommen Red und John ins Krankenhaus, und dann erfahren wir das Ergebnis des DNA-Tests, der am Montag vorgenommen wurde. Ich musste ihn auch über mich ergehen lassen, obwohl Ellen mit ihren schwarzen Haaren und den grünen Augen und der Sorgenfalte nicht verleugnen kann, dass sie meine Tochter ist. Drei Mundschleimhautabstriche. Bei Ellen hat es ewig gedauert, weil sie partout nicht den Mund aufmachen wollte. Sie hat die Lippen so fest aufeinandergepresst, als würde sie es nicht wissen wollen.
    Morgen ist auch noch aus einem zweiten Grund alles anders. Wenn ich morgen das Krankenhaus verlasse, werde ich nicht allein sein. Morgen kommt Ellen mit. Wir ziehen in unser neues Zuhause ein, in dem noch keinerlei Möbel stehen, abgesehen von dem von John gestifteten Doppelbett, das vorher in seinem Gästezimmer stand, und dem süßen Babykorb, den ich vor Monaten bestellt habe. Der mit dem orangefarbenen Tüll. Ach ja, und zwei Sterilisatoren. Hat Declan von seinem Freund Harry bekommen, »zu einem Spezialpreis«, wie er sagt. Wie viel er dafür bezahlt hat, wollte er mir allerdings nicht verraten, was bedeutet, dass es mindestens das Doppelte von dem war, was die Dinger wert sind.
    Morgen ist also alles andere als ein ganz gewöhnlicher Freitag. Maureen nennt ihn den »Endlich-Freiheit-Freitag«, aber ich habe mich an mein Nomadenleben gewöhnt, an die Ungewissheit. Ich hatte das Gefühl, Teil einer großen Familie zu sein, deren Mitglieder sich alle um mich und Ellen geschmiegt haben, vor allem Red. Ab morgen wird alles anders.
    Erst als ich zu frieren beginne, fällt mir auf, dass ich noch immer an Sofias Gartentor stehe. Ich lasse den Blick
über die Fenster gleiten. Hat mich jemand gesehen? Nein, die Vorhänge sind zugezogen. Ich atme tief durch, straffe die Schultern und ersetze meine besorgte Miene durch ein halbherziges Lächeln. Mehr ist unter diesen Umständen nicht drin. Dann öffne ich das Tor und gehe zur Haustür.
    Wir tun so, als wäre es ein ganz normaler Donnerstagabend, der sechste in Folge. Aber kaum bin ich zur Tür hereingekommen, ist bereits alles anders, angefangen damit, dass mir der Geruch von

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