Und Rache sollst du nehmen - Thriller
Du hast dich in deinem Schneckenhaus verkrochen, du
hast dich vor der Welt versteckt wie der letzte Feigling. Hast du wenigstens mal darüber nachgedacht, den Arsch hochzukriegen? Denkst du überhaupt noch an sie?«
Das Blut rauschte durch meinen Kopf wie ein Güterzug, und fast hätte ich zum ersten Mal die Hand gegen sie erhoben. Ich wollte ihr eine schmieren, quer über den Mund, ich wollte ihr wehtun, weil sie ausgesprochen hatte, was mir am meisten wehtat. Ich dachte an nichts anderes als an Sarah.
Sie bemerkte es, sie registrierte meinen Zorn und meinen Schmerz. Als ihr klarwurde, was ihre Worte angerichtet hatten, knickte sie ein. Ihre Wut war verraucht. Nun streckte sie die Hände nach mir aus, nun fasste sie nach mir, nun wollte sie mich wieder einfangen. »Es tut mir leid, es tut mir leid«, sprudelte es aus ihrem Mund.
Zuerst wich ich zurück, doch dann blieb ich stehen und ließ zu, dass sie mich in die Arme nahm. Die Worte stürzten weiter von ihren Lippen, beschworen und beteuerten, dass sie es nicht so gemeint hatte, nichts davon. Natürlich log sie wie gedruckt, das wusste ich. Sie wollte mir erzählen, dass sie es ganz schrecklich gefunden hätte, wenn ich Ogilvie umgebracht hätte, das hätte sie niemals gewollt, und sie wusste doch, dass ich Sarah liebte, es tat ihr so leid, sie hatte dem Typen niemals den Tod gewünscht, nicht wirklich, sie konnte nicht glauben, dass da wirklich einer vier Menschen getötet hatte, es tat ihr so leid, was passierte hier nur mit uns? Warum wir? Es tat ihr alles so leid.
Ich starrte mit zusammengekniffenen Lippen und
Augen über ihre Schulter und hielt all die Gefühle in Schach, die mir so lange fremd gewesen waren. Mein Hass auf Wallace Ogilvie wuchs. Meine Entschlossenheit festigte sich.
Während ich sie drückte und stumm tröstete, blickte ich immerfort auf einen bestimmten Punkt an der Wand hinter ihr. Irgendein zufälliger Fleck Wandfarbe. Ich starrte ihn an, ich bohrte die Augen in ihn hinein.
»Ich weiß«, sagte ich schließlich. Was auch immer das genau heißen sollte, ich wusste jedenfalls, dass sie es hören wollte. Tröstliche Worte. Damit hatte ich Erfahrung.
Sie schluchzte in meine Schulter, bis mein Hemd ganz durchweicht war von ihren Schuldgefühlen, ihrer Trauer und ihren Bitten um Vergebung. Ich verstand sie kaum noch, die Tabletten entfalteten ihre Wirkung schneller als je zuvor, beschleunigt von ihrem gebrochenen Herzen, einer Autobahn direkt in ihren Blutkreislauf.
Bis sie einschlief, weinte und murmelte sie vor sich hin, und noch lange, nachdem sie weggedämmert war, hielt ich sie fest und starrte auf den Punkt an der Wand. Ich wusste: Selbst wenn ich gewollt hätte, jetzt konnte ich nicht mehr aufhören. Es war wichtiger als je zuvor, den Plan zu Ende zu bringen. Für Sarah, für meine Frau. Ich hatte gerade mal gut die Hälfte hinter mir; jetzt aufzuhören, hätte alles ruiniert.
Es war noch so viel zu tun.
Irgendwann hob ich sie auf, ohne sie zu wecken, trug sie nach oben, schlug die Decke zurück und legte sie vollständig bekleidet ins Bett. Dann zog ich ihr die
Schuhe von den Füßen, küsste sie auf die Lippen und deckte sie sorgfältig zu.
Es war noch so viel zu tun. Bald würde die Polizei hier auftauchen, und ich musste bereit sein. Rachel Narey würde persönlich bei uns aufkreuzen, da war ich mir ziemlich sicher. Zumindest hoffte ich es.
23
Die Klingel. Das musste sie sein.
In natura war DS Narey noch hübscher als im Fernsehen oder in der Zeitung, und kleiner war sie auch. Sie trug ihr dunkles Haar zurückgebunden, aber einzelne Strähnen hatten sich gelöst und spielten um ihr Gesicht. Ich versuchte, nicht zu lang oder zu offensichtlich hinzustarren.
Sie stellte sich vor und schüttelte mir die Hand. Ein weicher, aber fester Händedruck, wahrscheinlich direkt aus dem Lehrbuch für weibliche Cops. Dann schaute sie sich erst mal demonstrativ im Zimmer um, als würde sie sich für die Einrichtung interessieren. Zweifellos suchte sie nach etwas ganz anderem – nach Hinweisen. Tja, hier gab es leider nichts zu sehen, DS Narey. Das hatte ich schon vor langer Zeit sichergestellt.
Begleitet wurde sie von einem männlichen Kollegen, DC Dawson. Halbglatze, eng stehende Augen und breite Schultern. Fürs Reden war sie zuständig.
Sie fing mit Smalltalk an. Über das Wetter, den Verkehr, das Haus. Ich war enttäuscht, da hatte ich mehr von ihr erwartet. Als ich nicht anbiss, sondern einfach dasaß und ihren Blick erwiderte,
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