Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
öffnen. Auf dem Tisch daneben lagen eine Fernbedienung, ein Stapel Illustrierter und eine aufgeschlagene Lokalzeitung. Auf der anderen Seite des Sessels stand etwas, das eher in ein Krankenhaus zu gehören schien: eine Art Stativ auf Rädern mit einer – vermutete Sjöberg – Sauerstoffflasche. An der Flasche hing ein Schlauch mit einem Mundstück, das Ingegärd Rydin an den Mund führte, sobald sie sich gesetzt hatte.
»COPD«, stieß sie zwischen den Inhalationen aus, und als Antwort auf Sjöbergs ungestellte Frage erklärte sie mit einer Kurzatmigkeit, die ihm während des knappen Gesprächs an der Wohnungstür gar nicht aufgefallen war:
»Ich leide an einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung. Lungenemphysem. Das hier erleichtert mir das Atmen.«
War es nicht so, dass Rauchern keine Sauerstoffbehandlung verschrieben wurde? Sjöberg schaute sich neugierig um, ob irgendetwas seinen Verdacht, dass sie immer noch rauchte, stärken würde, aber er konnte weder Aschenbecher noch Zigaretten im Zimmer entdecken. Trotzdem hatte er das Gefühl, dass vor Kurzem noch jemand in der Wohnung geraucht hatte. Er fragte sich, ob sie sich selbst oder jemand anderem etwas vormachen wollte; die Antwort auf diese Frage lieferte sie bereits in ihrer nächsten Erklärung.
»Ein paarmal am Tag kommt jemand vom Pflegedienst vorbei, hilft mir beim Einkaufen und erledigt Sachen für mich. Ich kann die Wohnung nicht mehr verlassen.«
»Das tut mir wirklich leid«, sagte Sjöberg. »Können Sie mir trotzdem ein paar Fragen beantworten?«
Sie nickte, während sie ein paar tiefe Züge aus dem Schlauch nahm. Sjöberg stellte dankbar fest, dass sie beim Atmen nicht gurgelte, denn er wusste, dass er das nicht gut ertragen hätte. Er fühlte mit dieser kleinen Person und stellte sich plötzlich vor, wie sie sich neben dem vergleichsweise riesigen Christer Larsson ausgenommen haben musste. Zusammenzupassen schienen sie jedenfalls nicht besonders, aber andererseits hatte er nicht die geringste Ahnung, wie sie in ihrer Jugend ausgesehen hatte. Ihr frühzeitig gealtertes Gesicht und die gelblich blasse Haut auf ihren Armen standen seiner Vorstellungskraft im Weg e.
»Ich habe nicht mehr lange«, bemerkte sie ungefragt. »Von den geschädigten Teilen der Lungen haben sie so viel herausgenommen wie möglich. Und sie sagen, dass ich zu schwach bin, um eine Lungentransplantation zu überleben.«
»Tut mit furchtbar leid«, sagte Sjöberg, und dann fiel ihm auch nichts weiter dazu ein.
Wenn es so schlimm war, dann konnte sie sich wohl den einen oder anderen Zug unter der Dunstabzugshaube erlauben, dachte er. Es lag ja hoffentlich nicht in ihrem Interesse, sich selbst oder gar das ganze Haus in Flammen zu setzen. Eine Weile lauschte er ihren Atemzügen mit einem Grauen, das man ihm hoffentlich nicht ansehen konnte.
Dann erinnerte er sich plötzlich, warum er gekommen war, richtete sich auf und ging zu dem anderen Sessel hinüber, der am Tisch stand. Ohne zu fragen setzte er sich auf die äußerste Kante, als wollte er signalisieren, dass er zwar nicht allzu lange bleiben würde, aber trotzdem legitime Gründe hatte, sich in ihrem Wohnzimmer aufzuhalten.
»Haben Sie eine Vorstellung, warum ich zu Ihnen gekommen bin?«, fragte er vorsichtig.
Sie schüttelte den Kopf, ohne ihre Atemübungen zu unterbrechen.
»Sie sind mit einem Christer Larsson verheiratet gewesen, stimmt das?«, fuhr er fort.
Sie nickte mit einer Miene, die nichts darüber verriet, was sie gerade dachte.
»Haben Sie noch Kontakt zu ihm?«
Jetzt nahm sie das Mundstück ab, um seine Frage zu beantworten.
»Wir haben uns seit mehr als dreißig Jahren nicht gesehen.«
»Haben Sie während dieser Zeit irgendwann miteinander telefoniert?«
»Auch das nicht.«
»Sie sind nicht als Freunde auseinandergegangen?«, hakte Sjöberg nach.
»Nein, aber auch nicht als Feinde«, antwortete sie gleichgültig. »Es hat für uns nie einen Grund gegeben, den Kontakt zu halten. Mehr ist da nicht dran.«
Sie stopfte das Mundstück wieder zwischen ihre Lippen, und er konnte beobachten, wie sich ihre Atmung sofort ein bisschen beruhigte.
»Haben Sie Christer Larsson je als gewalttätig erlebt?«
»Warum fragen Sie das?«, wollte sie wissen.
»Seien Sie bitte so nett und beantworten Sie meine Frage, dann werde ich es Ihnen erklären«, sagte er streng.
»Nein«, antwortete sie nur aus dem Mundwinkel heraus.
Es störte Sjöberg, dass er ihre Reaktionen nicht richtig beurteilen konnte,
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