Und raus bist du: Kriminalroman (German Edition)
eigene Kamera besaß. Die Bilder, die vor ihm lagen, stammten entweder von philippinischen Verwandten oder von professionellen schwedischen Fotografen. Eine Weile studierte er eine Reihe von Porträtaufnahmen, die die Kinder in verschiedenem Alter zeigten und vermutlich im Kindergarten gemacht worden waren.
Mit einem Seufzer legte er sie zur Seite und nahm eine Fotografie in die Hand, die die ganze Familie zeigte, außerdem ein paar ebenfalls professionelle Hochzeitsaufnahmen. Eine Weile betrachtete er nachdenklich das verliebte Paar. Christer Larssons noch nicht ganz so ergrautes Haar war sorgfältig gekämmt, er sah sonnengebräunt aus und schaute mit einem unbestimmten Lächeln in die Kamera. Er trug einen dunklen Anzug mit einer roten Rose im Knopfloch. Catherine, in einem einfachen weißen Kleid, sah lächelnd im Halbprofil zu ihrem frisch angetrauten Ehemann auf. Er war mehr als einen Kopf größer als sie, und seine große rechte Hand umschloss ihre ganze bloße Schulter.
War er ein Mörder? Hier noch nicht, aber was war dann passiert, nachdem dieses Bild aufgenommen worden war? Menschen verändern sich, die Umstände ändern sich. Christer Larsson war wieder zu seinem alten Ich geworden, was auch immer das zu bedeuten hatte.
Und was war mit Sjöberg selbst in dieser Zeit passiert? Er hatte seine Zukunft und die seiner Familie aufs Spiel gesetzt. Er hatte die große Liebe seines Lebens, seine beste Freundin, seine Lebensgefährtin, seine geliebte Åsa, wegen einer unbekannten Frau aufs Spiel gesetzt. Einer Frau, die aus dem Nichts gekommen war, die ihm eigentlich gar nichts bedeuten konnte.
Margit Olofsson, die Frau in seinen Träumen, aber nie und nimmer seine Traumfrau. Er gestattete sich nur selten, diesen Gedanken zu Ende zu denken, aber jetzt war er da und er konnte ihn nicht bremsen. Was trieb er da eigentlich? Er bot seine gesamte Energie auf, um sich davon zu überzeugen, dass diese Geschichte ein Ende finden musste. Jetzt. Oder wenn sie sich das nächste Mal sahen. Margit und er trafen sich nicht oft, aber wenn er sich fix und fertig fühlte, suchte er Trost in ihren Armen. Warum, wusste er nicht. Åsa war ihm immer eine gute Trösterin gewesen, aber seit dieser Traum ihn heimzusuchen begonnen hatte, hatte er sich verändert. Er war zu einem anderen Menschen geworden. Ein ängstliches, verzweifeltes, verdammt treuloses kleines Arschloch war er geworden.
In seinem Traum stand er stets auf einem taunassen Rasen und starrte auf seine nackten Füße hinunter. Er wagte nicht, nach oben zu schauen. Obwohl er wusste, dass er es tun sollte. Sein Kopf fühlte sich so schwer an, dass er ihn kaum heben konnte. Er nahm all seinen Mut und all seine Kraft zusammen, um sein Gesicht nach oben zu wenden, und da sah er sie. Die schöne Frau mit dem leuchtend roten Haar, das ihren Kopf wie eine Sonne umstrahlte. Sie tanzte ein paar Schritte, und sie begegnete seinem Blick mit einem verwunderten Ausdruck. Er streckte ihr die Arme entgegen, verlor aber das Gleichgewicht und fiel haltlos nach hinten. Die Frau war Margit; sie war zu Margit geworden, nachdem er ihr das erste Mal begegnet war, während der Fahndung nach einem Serienmörder vor gut einem Jahr. Sein Verstand sagte ihm unmissverständlich, dass er einen Schlussstrich ziehen musste, aber sie bedeutete ihm so ungeheuer viel. Sie weckte etwas in ihm, das er selbst nicht benennen konnte. Etwas Neues? Etwas Altes?
Mit einem Schaudern schüttelte er die unbehaglichen Gedanken von sich ab und blätterte weiter in den Fotografien. Er räusperte sich; räusperte das Gefühl der Scham angesichts seines Verhaltens fort. Das Räuspern machte ihn in gewisser Weise wieder zu einem erwachsenen Menschen, und er streckte seinen Rücken, als wollte er damit seine Souveränität noch bekräftigen.
Ein Streifen aus einem Fotoautomaten weckte seine Aufmerksamkeit. Es zeigte Catherine und eine andere asiatische Frau auf einer Reihe von vier Farbaufnahmen. Auf den ersten beiden Bildern sahen sie ganz allgemein gut gelaunt und fröhlich aus, auf dem dritten machten sie lustige Gesichter, und auf dem vierten saßen sie schon nicht mehr, sondern schienen mit den Armen in der Luft und Grimassen schneidend in der Kabine herumzutanzen. Das ist also Vida, dachte Conny Sjöberg. Wir müssen sie unbedingt finden.
Die übrigen Fotografien zeigten anscheinend Freunde und Verwandte aus Catherine Larssons Heimat. Sie selbst war auf den Aufnahmen nicht zu sehen, vermutlich hatte sie sie mit
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