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Und so verlierst du sie

Und so verlierst du sie

Titel: Und so verlierst du sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junot Díaz
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aushandelte. Aber wenigstens versuchte er nicht, einen zu vergewaltigen, wie viele andere Chefs. Wenigstens das. Er behielt seine Augen und seine Hände größtenteils für sich. Er hatte andere Pläne, wichtige Pläne, erzählte er uns, und man musste ihn nur beobachten, um es zu glauben.
    Die ersten Monate bestanden für mich darin, zu putzen und Ramón diskutieren zu hören. Sie bestanden aus langen Spaziergängen durch die Stadt und dem Warten auf Sonntag, wenn ich meine Mutter anrufen konnte. Tagsüber stellte ich mich in diesen großen Häusern vor die Spiegel und sagte mir, ich könne mich glücklich schätzen, und danach ging ich nach Hause und kauerte mich vor den kleinen Fernseher, vor dem wir uns alle zusammendrängten, und ich dachte, das sei genug.
    Ana Iris lernte ich kennen, nachdem Ramóns Firma Pleite gemacht hatte. Nicht genug ricos hier in der Gegend, meinte er, ohne sich entmutigen zu lassen. Ein paar Freunde hatten das Treffen ausgemacht, und ich ging zu ihr auf den Fischmarkt. Während wir uns unterhielten, putzte und zerlegte Ana Iris Fische. Ich hielt sie erst für eine boricua, aber später erzählte sie mir, sie sei halb boricua und halb dominicana. Das Beste der Karibik und das Schlimmste, sagte sie. Ihre Hände waren schnell und präzise, ihre Filets sahen nicht so ausgefranst aus wie einige andere auf dem Bett aus zerstoßenem Eis.
    Kannst du in einem Krankenhaus arbeiten?, wollte sie wissen.
    Ich kann alles machen, sagte ich.
    Da gibt es Blut.
    Wenn du das hier machen kannst, kann ich in einem Krankenhaus arbeiten.
    Von ihr stammen die ersten Fotos, die ich nach Hause schickte, matte Bilder, auf denen ich lächle, ordentlich angezogen und unsicher. Eines vor einem McDonald’s, weil ich wusste, dass meiner Mutter gefallen würde, wie amerikanisch es war. Ein anderes in einer Buchhandlung. Ich tue so, als würde ich lesen, obwohl das Buch in meinen Händen auf Englisch ist. Ich trage die Haare hochgesteckt, und die Haut hinter meinen Ohren sieht blass und zu unberührt aus. Ich bin so dünn, dass ich krank wirke. Auf dem besten Foto posiere ich vor einem Gebäude der Universität. Es sind keine Studenten zu sehen, aber vor dem Gebäude stehen Hunderte Klappstühle aus Metall für eine Veranstaltung, ich bin den Stühlen zugewandt, sie sind mir zugewandt, und in diesem Licht heben sich meine Hände verblüffend von dem blauen Stoff meines Kleids ab.

    An drei Abenden die Woche sehen wir uns Häuser an. Sie sind in einem scheußlichen Zustand, eine Heimat für Geister und Kakerlaken und uns, los hispanos. Trotzdem will kaum jemand an uns verkaufen. Wenn wir vor den Leuten stehen, sind sie schon freundlich, aber am Ende melden sie sich nie, und wenn Ramón das nächste Mal dort vorbeifährt, ist das Haus bewohnt, meistens von blanquitos, die den Rasen mähen, der uns gehören sollte, und Krähen aus unseren Maulbeerbäumen verscheuchen. Heute sagt uns ein Großvater mit einem Stich Rot in den grauen Haaren, er würde uns mögen. Während la Guerra Civil habe er in unserem Land gedient. Nette Menschen, sagt er. Schöne Menschen. Das Haus ist keine völlige Ruine, und wir sind beide nervös. Ramón pirscht umher wie eine Katze, die einen Platz zum Werfen sucht. Er stellt sich in Wandschränke, hämmert gegen Wände und fährt fast fünf Minuten lang mit den Fingern über die feuchten Fugen im Keller. Er schnuppert, ob es irgendwo nach Schimmel riecht. Im Badezimmer ziehe ich die Toilette ab, während er eine Hand unter die aufgedrehte Dusche hält. Zusammen suchen wir die Küchenschränke nach Schaben ab. Nebenan telefoniert der Großvater, um unsere Referenzen zu überprüfen, und lacht über eine Bemerkung.
    Er legt auf und sagt etwas zu Ramón, das ich nicht verstehe. Bei diesen Leuten kann ich mich nicht mal auf ihre Stimmen verlassen. Die blancos klingen immer gleich, ob sie deine Mutter eine puta nennen oder dich begrüßen. Ich warte ohne zu hoffen, bis Ramón sich zu mir beugt und sagt, es würde gut aussehen.
    Großartig, sage ich, dabei bin ich sicher, dass Ramón seine Meinung noch ändert. Er ist sehr misstrauisch. Im Auto legt er los, er ist überzeugt, dass der alte Mann ihn hereinlegen will.
    Warum? Hast du etwas gesehen, das nicht in Ordnung war?
    Sie richten es gut her. Das ist Teil des Tricks. Warte mal ab, in zwei Wochen stürzt das Dach ein.
    Will er es nicht reparieren?
    Das hat er gesagt, aber würdest du so einem alten Mann vertrauen? Ich wundere mich ja schon, dass der

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