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Und so verlierst du sie

Und so verlierst du sie

Titel: Und so verlierst du sie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Junot Díaz
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mehr nicht. Sie bringt ihr eigenes Kissen mit, eines von diesen teuren Schaumstoffdingern, und ihre Zahnbürste, und Sonntagmorgen nimmt sie beides wieder mit. Gibt dir an der Tür einen Kuss, bevor sie geht; dir kommt das alles zu keusch vor, zu wenig verheißungsvoll.
    Kein toto? Elvis wirkt leicht schockiert.
    Kein toto, bestätigst du. Was soll das, ich bin doch keine zwölf mehr.
    Du weißt, dass du Geduld haben solltest. Dass sie dich nur auf die Probe stellt. Wahrscheinlich hat sie schon genug schlechte Erfahrungen mit fahnenflüchtigen Aufreißern gemacht. Sieh dir nur Justins Dad an. Aber es wurmt dich, dass sie einen ungebildeten, arbeitslosen Proleten rangelassen hat und dich schön Männchen machen lässt. Es macht dich sogar stinkwütend.
    Sehen wir uns?, fragt sie dich in der vierten Woche, und beinahe sagst du Ja, aber dann kommt dir dein Schwachsinn in die Quere.
    Kommt darauf an, sagst du.
    Worauf? Dass sie sofort vorsichtig wird, ärgert dich noch mehr. Wo war denn diese Vorsicht, als sie sich von diesem Banilejo ohne Kondom vögeln ließ?
    Darauf, ob ich demnächst endlich mal an deine Muschi darf.
    Oh, das hat Stil. Sobald du es ausgesprochen hast, weißt du, dass du dir damit dein eigenes Grab geschaufelt hast.
    Noemi schweigt. Schließlich sagt sie: Ich lege jetzt lieber auf, bevor ich etwas sage, das du nicht hören willst.
    Das ist deine letzte Chance, aber statt sie um Gnade anzuflehen, blaffst du:
Schön.
    Noch in der gleichen Stunde hat sie dich bei Facebook gelöscht. Du versuchst, mit einer SMS das Gelände zu sondieren, bekommst aber keine Antwort.
    Jahre später wirst du sie am Dudley Square treffen, aber sie wird so tun, als würde sie dich nicht kennen, und du wirst es gut sein lassen.
    Toll gemacht, kommentiert Elvis. Bravo.
    Ihr seht seiner Tochter zu, wie sie sich in der Nähe von Columbia Terrace auf einem Spielplatz tummelt. Er versucht, dich zu beruhigen. Sie hatte ein Kind. Das wäre nichts für dich gewesen.
    Wahrscheinlich nicht.
    Sogar so leichte Trennungen sind mies, weil sie sofort die Gedanken an deine Ex zurückholen. Und die Depression. Dieses Mal zerfließt du sechs Monate darin, bevor du es zurück in die Welt schaffst.
    Nachdem du dich zusammengerissen hast, erzählst du Elvis: Ich glaube, ich muss für eine Weile die Finger von den Weibern lassen.
    Was willst du machen?
    Mich erst mal auf mich konzentrieren.
    Gute Idee, sagt seine Frau. Außerdem passiert nur was, wenn man nicht danach sucht.
    Das behaupten alle. Sagt sich auch leichter als Ist echt ’ne Scheißsituation.
    Ist echt ’ne Scheißsituation, sagt Elvis. Hilft das?
    Nicht besonders.
    Auf dem Heimweg donnert ein Jeep vorbei; der Fahrer beschimpft dich als
verficktes Ölauge
. Eine der alten sucias veröffentlicht online ein Gedicht über dich. Es heißt »El Puto.«

Jahr 3
    Du legst eine Pause ein. Du willst wieder arbeiten, willst schreiben. Drei Romane beginnst du: einen über einen pelotero, einen über einen narco und einen über einen bachatero – alle sind der letzte Mist. Du kümmerst dich ernsthaft um deine Kurse und fängst für die Gesundheit mit dem Laufen an. Das hast du früher schon mal gemacht, und jetzt suchst du etwas, das dich aus deinen Gedanken herausholt. Anscheinend hast du das dringend gebraucht, denn sobald du erst mal richtig reingekommen bist, läufst du vier, fünf, sechs Mal die Woche. Es ist deine neue Droge. Du läufst morgens und du läufst spätabends, wenn auf den Uferwegen am Charles niemand mehr unterwegs ist. Du treibst dich so an, dass sich dein Herz anfühlt, als würde es gleich krampfen. Als der Winter näher rückt, hast du ein bisschen Angst, dass du aufgeben könntest – die Winter in Boston sind reiner Terror –, aber weil du die Bewegung mehr brauchst als alles andere, läufst du weiter, auch als die Bäume ihr Laub verlieren und sich die Wege leeren und der Frost nach deinen Knochen greift. Bald sind nur du und ein paar andere Irre übrig. Dein Körper verändert sich natürlich. Du verlierst den Speck vom Trinken und Kiffen, und deine Beine sehen aus, als würden sie jemand anderem gehören. Jedes Mal, wenn du an deine Ex denkst, jedes Mal, wenn die Einsamkeit wie ein brodelnder, brennender Kontinent in dir aufsteigt, schnürst du deine Schuhe und machst dich auf den Weg, und das hilft; es hilft wirklich.
    Gegen Ende des Winters kennst du alle Läufer, die morgens unterwegs sind, und es gibt sogar eine Frau, die leise Hoffnung in dir weckt. Ein paarmal

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