Und so verlierst du sie
alles sehr persönlich. Hoffentlich wirft jemand eine Scheiß
bombe
auf diese Stadt, schimpfst du. Deshalb will jeder, der nicht weiß ist, hier weg. Deshalb verschwinden meine schwarzen Studenten und die Latinos, sobald sie können.
Elvis sagt nichts. Er ist in Jamaica Plain geboren und aufgewachsen und weiß, dass er den Vorwurf, seine Stadt sei uncool, genauso wenig abstreiten kann wie eine Kugel mit einer Scheibe Brot aufhalten. Geht es dir gut?, fragt er schließlich.
Bestens, antwortest du. Mejor que nunca.
Nur stimmt das nicht. Du hast alle gemeinsamen Freunde in New York verloren (sie haben zu ihr gehalten), deine Mutter redet nach dieser Sache nicht mehr mit dir (sie mochte deine Verlobte mehr als dich), und du fühlst dich schrecklich schuldig und schrecklich allein. Du schreibst ihr immer noch Briefe und wartest auf den Tag, an dem du sie ihr geben kannst. Und du vögelst immer noch alles, was sich bewegt. An Thanksgiving hockst du allein in deiner Wohnung, weil du deiner Mutter nicht in die Augen sehen kannst und dich schon der Gedanke an das Mitleid anderer Leute wütend macht. Deine Ex, wie du sie jetzt nennst, hat immer gekocht: Truthahn, Hähnchen, Schweinebraten. Hat dir alle Schenkel aufgehoben. An diesem Abend trinkst du bis zur Besinnungslosigkeit und brauchst zwei Tage, um dich zu erholen.
Du denkst, schlimmer könnte es nicht werden. Du denkst falsch. Während der Abschlussprüfungen überrollt dich eine Depression, die so tief reicht, dass es dafür wahrscheinlich nicht mal einen Namen gibt. Es fühlt sich an, als würdest du mit einer Pinzette auseinandergepflückt, Atom für Atom.
Du gehst nicht mehr ins Fitnessstudio oder in Bars, du rasierst dich nicht mehr, wäschst deine Kleidung nicht mehr, du lässt fast alles sein. Deine Freunde machen sich langsam Sorgen um dich, und eigentlich sind sie nicht schnell besorgt. Mir geht es gut, erzählst du ihnen, aber mit jeder Woche, die verstreicht, wird die Depression finsterer. Du versuchst, sie zu beschreiben. Als hätte jemand ein Flugzeug in deine Seele gesteuert. Als hätte jemand zwei Flugzeuge in deine Seele gesteuert. Elvis sitzt mit dir zu Hause Schiwa; er klopft dir auf die Schulter und sagt, du sollst es nicht so schwer nehmen. Vier Jahre zuvor war Elvis auf einer Landstraße vor Bagdad ein Hummvee um die Ohren geflogen. Er hing eine gefühlte Woche lang unter dem brennenden Wrack fest, also kennt er Schmerzen zur Genüge. Sein Rücken, sein Gesäß und der rechte Arm sind so vernarbt, dass nicht mal du harter Knochen es dir ansehen kannst. Atme, sagt er dir. Du atmest ohne Ende, wie ein Marathonläufer, aber das hilft nicht. Deine Briefchen werden immer kläglicher.
Bitte
, schreibst du.
Bitte komm zurück.
Du träumst, sie würde wie früher mit dir reden – in diesem lieblichen Spanisch des Cibaos, ohne ein Zeichen von Wut oder Enttäuschung. Und dann wachst du auf.
Du schläfst nicht mehr, und eines Nachts, als du betrunken und allein bist, spürst du diesen verrückten Drang, das Fenster deiner Wohnung im vierten Stock zu öffnen und rauszuspringen. Und es gab nicht viel, das dich zurückhielt. Aber (a) bist du nicht der Typ für Selbstmord, (b) behält dein Cousin Elvis dich genau im Auge – er ist ständig bei dir, steht neben dem Fenster, als wüsste er, woran du denkst. Und (c) hegst du diese lächerliche Hoffnung, sie könnte dir vielleicht eines Tages vergeben.
Tut sie nicht.
Jahr 2
Mit Mühe und Not schaffst du beide Semester. Du musst wirklich lange durch Scheiße waten, aber irgendwann legt sich der Irrsinn schließlich. Als würdest du aus dem schlimmsten Fieber deines Lebens erwachen. Du bist nicht mehr der Alte (haha!), aber du kannst ohne seltsame Anwandlungen neben einem Fenster stehen, und das ist ein Anfang. Leider hast du zwanzig Kilo zugenommen. Du weißt nicht, wie das passiert ist, aber es ist passiert. Dir passt nur noch eine einzige Jeans und keiner deiner Anzüge. Du räumst die alten Fotos von ihr weg, nimmst von ihren Wonder-Woman-Zügen Abschied. Du gehst zum Friseur, rasierst dir zum ersten Mal seit Ewigkeiten den Kopf und schneidest den Bart ab.
Ist es vorbei?, fragt Elvis.
Es ist vorbei.
An einer Ampel schreit dich eine weiße Oma an, und du schließt die Augen, bis sie weggeht.
Such dir eine neue Freundin, rät dir Elvis. Er hält seine Tochter sanft im Arm. Clavo saca clavo.
Gar nichts sacas irgendwas, antwortest du. Keine ist wie sie.
Na gut. Such dir trotzdem eine neue
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