Und so verlierst du sie
nach. An diesem Strand ist sie tieftraurig, und sie läuft allein über den schimmernden Sand, barfuß durch das eiskalte Wasser, und als du sie in den Arm nehmen willst, sagt sie
Nicht.
Sie starrt auf die Felsen, die aus dem Wasser ragen, der Wind bläst ihre Haare zurück. Auf der Fahrt zum Hotel durch diese wilden Steilhänge nehmt ihr zwei Anhalter mit, ein Pärchen, und die beiden sind so unglaublich gemischtrassig und vor lauter Verliebtheit so aufgedreht, dass du sie fast aus dem Wagen schmeißt. Sie sagt nichts. Nachher im Hotel wird sie weinen.
Du ziehst alle Register, damit sie bei dir bleibt. Schreibst ihr Briefe. Fährst sie zur Arbeit. Zitierst Neruda. Verfasst eine Rundmail, mit der du dich von all deinen sucias lossagst. Blockierst ihre Mailadressen. Änderst deine Handynummer. Hörst auf zu trinken. Hörst auf zu rauchen. Behauptest, du wärst sexsüchtig, und gehst zu einer Selbsthilfegruppe. Gibst deinem Vater die Schuld. Gibst deiner Mutter die Schuld. Dem Patriarchat die Schuld. Santo Domingo. Du suchst dir einen Therapeuten. Meldest dich von Facebook ab. Gibst ihr die Passwörter für all deine E-Mail-Konten. Nimmst Salsastunden, wie du es immer versprochen hast, damit ihr miteinander tanzen könnt. Behauptest, du wärst krank, behauptest, du wärst schwach – Es lag am Buch! Es lag am Stress! –, und pünktlich jede Stunde sagst du, dass es dir unglaublich leidtut. Du versuchst alles, aber irgendwann setzt sie sich im Bett auf und sagt nur
Es reicht
und
Ya
, und du musst aus eurer gemeinsamen Wohnung in Harlem raus. Du überlegst, nicht zu gehen. Du überlegst, in Sitzstreik zu treten. Du sagst sogar, du würdest nicht gehen. Aber am Ende tust du es doch.
Eine Zeitlang läufst du durch die Stadt wie ein drittklassiger Baseballspieler, der von einem Angebot aus der Liga träumt. Du rufst sie jeden Tag an und hinterlässt Nachrichten, auf die sie nie reagiert. Du schreibst ihr lange, gefühlvolle Briefe, die sie ungeöffnet zurückschickt. Du tauchst sogar zu seltsamen Zeiten vor ihrer Wohnungstür oder bei ihrer Arbeitsstelle in der Stadt auf, bis ihre kleine Schwester, die bisher immer auf deiner Seite stand, dich schließlich anruft und dir klarmacht: Wenn du noch einmal versuchst, meine Schwester irgendwie zu erreichen, besorgt sie sich eine Unterlassungsverfügung.
Andere Brüder würden sich einen Scheiß darum kümmern.
Aber so bist du nicht.
Du hörst auf. Du ziehst zurück nach Boston. Du siehst sie nie wieder.
Jahr 1
Zuerst tust du so, als würde es dir nichts ausmachen. Dich hat sowieso vieles an ihr gestört. Und wie! Sie konnte nicht gut blasen, diesen Flaum auf ihren Wangen konntest du nicht ausstehen, sie hat sich nie die Muschi gewachst, hat in der Wohnung nie aufgeräumt und so weiter. Ein paar Wochen lang glaubst du fast daran. Natürlich fängst du wieder an zu rauchen, zu trinken, gehst nicht mehr zur Therapie und der Sexsüchtigengruppe und ziehst mit Schlampen durch die Gegend wie in der guten alten Zeit, als wäre nichts passiert.
Ich bin wieder da, erklärst du deinen Jungs.
Elvis lacht. Fast, als wärst du nie weg gewesen.
Etwa eine Woche lang geht es dir gut. Dann wirst du launisch. Gerade musst du dich noch zurückhalten, um nicht ins Auto zu springen und zu ihr zu fahren, und im nächsten Moment rufst du eine sucia an und sagst, Ich wollte schon immer nur dich. Bei Freunden, bei Studenten, bei Kollegen verlierst du die Beherrschung. Wenn du Monchy y Alexandra hörst, ihre Lieblingsmusik, musst du jedes Mal weinen.
Boston, wo du nie wohnen wolltest und das dir wie ein Exil vorkommt, wird ein echtes Problem. Es fällt dir schwer, es in Vollzeit zu ertragen, die Bahnen, die nur bis Mitternacht fahren, die Griesgrämigkeit der Menschen, der überraschende Mangel an chinesischem Essen. Wie auf Knopfdruck passiert eine Menge rassistisches Zeug. Vielleicht lief es schon immer so, vielleicht haben dich erst die Jahre in New York dafür sensibilisiert. Weiße halten an der Ampel und schreien dich mit einer widerlichen Wut an, als hättest du fast ihre Mutter überfahren. Es macht dir richtig Angst. Bevor du begreifst, was der Scheiß soll, zeigen sie dir den Stinkefinger und rasen los. Das passiert immer wieder. In den Läden schleichen die Wachleute hinter dir her, und sobald du das Harvard-Gelände betrittst, wirst du nach deinem Ausweis gefragt. Dreimal wollen sich in unterschiedlichen Gegenden der Stadt betrunkene weiße Typen mit dir schlagen.
Das nimmst du
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