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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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Balance wurde gelegentlich durch sein leicht aufbrausendes Blut gestört. Und genau das musste Prospero nun beruhigen.
    »Ist dein Gegner als Jude denn überhaupt satisfaktionsfähig?«, schlug er, Jurist, der er war, einen anderen Weg ein. Doch Valenti blies nur verächtlich die Luft aus. »Hinter der Frage nach der Satisfaktionsfähigkeit verkriechen sich elende Feiglinge! Was hat die gesellschaftliche Stellung in diesem Fall mit Ehre zu tun? Wie du ja schon richtig bemerkt hast, befinde ich als Priester mich ebenfalls nicht mehr in der Position, die mir ein Duell erlauben würde. Aber verrate mir: Bin ich, weil ich die Tonsur trage, kein Gonzaga mehr? Besitze ich deshalb keine Ehre und muss mich von diesem dreisten Buben verhöhnen lassen? Nein, Prospero glaub mir: Deus le volt! Gott will es!« Sylvio Valenti Gonzaga ballte entschlossen die rechte Faust. Dass der Graf
den Schlachtruf der alten Kreuzfahrer benutzte, machte deutlich, wie ernst ihm sein Vorhaben war. Er würde sich davon nicht abbringen lassen. Prospero musste die Katastrophe auf anderem Weg zu verhindern suchen. Auch wenn er noch keine Idee hatte, wie das zu bewerkstelligen war. Er musste Zeit gewinnen.
    »Wenn ich einen Ausweg finde, der deine Ehre nicht verletzt, bist du dann bereit, von dem Zweikampf abzulassen?«
    »Wie willst du das denn anstellen?«
    »Das lass nur getrost meine Sorge sein.«
    »Träum nicht, Prospero, ein anderer Weg existiert nicht. Es gibt Dinge auf der Welt, die fordern unweigerlich Blut, das mag uns passen oder auch nicht. Was wird aus der Welt, wenn niemand mehr mit seinem Leben für eine Idee oder eine Verpflichtung eintritt? Wenn die menschliche Sprache bis zur Unkenntlichkeit zum Geschwätz erniedrigt wird und der Mensch sich sogar sich selbst gegenüber illoyal verhält, dann triffst du irgendwann nur noch auf blinde Mitläufer!«
    Manchmal war es besser, einer philosophischen Diskussion auszuweichen und sich auf das Unmittelbare zu konzentrieren, denn philosophisch gesehen hatte sein aristokratischer Freund Recht.
    »Gib mir wenigstens zwei Tage Zeit, bevor du dich in die Rauferei stürzt. Mehr verlange ich nicht.« Valenti dachte kurz nach, dann nickte er widerwillig.
    Der Starrsinn des Grafen ließ ihm keinen anderen Ausweg, als mit dem Rabbiner zu reden. Er mochte es drehen und wenden, wie er wollte, er kam um den heiklen Besuch nicht herum. Auch Tranquillo Vita Corcos konnte kein Interesse daran haben, dass sein zukünftiger Schwiegersohn
in eine Duellaffäre mit einem Geistlichen verwickelt wurde. Innerlich verdrehte er die Augen. Ein Priester und ein Jude spielten ehrpusslige Edelleute und ließen sich vom Hafer stechen. Meine Güte! Die Welt spielte wirklich verrückt.

10.
    K leine Reisigfeuer, Fackeln und auf Stöcken angebrachte Kerzen, sogenannte Moccoli, warfen gespenstisch ihr Licht an die schwarze Leinwand der Nacht. Mond und Sterne verbargen sich hinter dichten Wolken, die mit der Dunkelheit eins geworden waren.
    Prospero fühlte sich ein wenig verloren, als er allein aus dem mächtigen Bollwerk des Palazzo della Cancelleria hinaustrat, in dem die Rota ihren Sitz und auch er ein kleines Dienstzimmer hatte. Er zog vor Kälte die Schultern hoch und schlug die Richtung zum Campo dei Fiori ein. Hinter dem Platz, an der Ecke, wo die Via Papale auf die Via Paradiso stieß, befand sich Gioacchinos La Grassa. Dort wollte er noch einmal nach Velloni schauen.
    Zuvor hatte er mit Alessandro Caprara alle Neuigkeiten im Fall durchgesprochen. Der Auditor hatte seinem Bericht gelauscht und dann lange geschwiegen. Zum letzten Mal, so meinte er schließlich, dürfte die Ewige Stadt vor zweihundert Jahren unter der Schreckensherrschaft des Borgia-Papstes Alexander VI. von einer Willkür diesen Ausmaßes bedrückt worden sein, als dessen Sohn Cesare in Rom sein Unwesen trieb. In seiner ganzen nunmehr dreißigjährigen Dienstzeit war der Richter des obersten römischen Gerichtes mit keiner so skandalösen Pflichtvergessenheit konfrontiert worden. Albanis Pontifikat definierte Politik als Feigheit. Nein, der Pontifex war kein tatkräftiger Mann, sondern der zur Macht gekommene byzantinische Oberhofintrigant. So sehr Caprara das Geschilderte empörte, so unschlüssig blieb er letztlich darüber, wie man sich am klügsten dazu verhalten sollte. Einerseits durfte ausgerechnet
Prospero, der sich in Ungnade befand, nicht den Papst reizen; andererseits konnte man nicht untätig dem Verbrechen zuschauen. Zuschauen bedeutete

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