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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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gefahren.
    Als er an ihr vorbei in den Flur trat, drang ihm der Geruch von Zimt und Feldblumen in die Nase, und er atmete tief ein. Wie hatte ihm ihr Duft gefehlt! Er sah sie an, sie schlug die Augen nieder. Einen Wimpernschlag lang nahm sie eine gemeinsame Aura auf, in der sie die Welt um sich
herum vergaßen. Ihm war, als neigte sich ihr Kopf leicht ihm zu. Er wollte ihr Gesicht schon zärtlich in seine Hände nehmen. Doch der kostbare Augenblick endete bereits mit dem nächsten Blinzeln.
    »Komm mit«, sagte sie, offensichtlich um Distanz bemüht, und führte ihn ins Wohnzimmer. Sie bot ihm einen Platz an. Dann zögerte sie und schaute ihn nachdenklich an, als wollte sie ihn fragen, ob sie alles richtig machten. Und stumm antwortete er ihr in Gedanken, dass er es nicht wisse. Sie schloss kurz die Augen und schüttelte ganz leicht den Kopf. Als sie die Lider öffnete, hatte sie den gläsernen Wall der Unnahbarkeit wieder vor sich errichtet. Enttäuschung schnürte ihm das Herz zu.
    »Ich informiere meinen Vater darüber, dass du ihn zu sprechen wünschst.« Mit diesen Worten ließ sie ihn in der guten Stube allein.
    In seinen Adern explodierte eine Droge, die Verlangen hieß. Nichts war vergessen, nichts war vergangen, im Gegenteil, diese Sehnsucht tobte schlimmer in ihm als jemals zuvor. Aber das war nur die heiße Seite des Gefühls; die kalte bestand in der Bitterkeit. Denn wie sollte er nicht Bitterkeit empfinden angesichts der Tatsache, dass seine Sehnsüchte niemals Erfüllung finden würden?
    »Mein lieber Freund, womit kann ich dienen?«, riss ihn Tranquillo Vita Corcos mit seiner wohlklingenden Stimme aus seinen inneren Qualen. Er blickte auf. Etwas Beruhigendes ging von der ehrwürdigen Gestalt des Rabbiners aus. In seinen gütigen Augen fand er das erste Mal, seitdem er heute Vormittag in Capraras Kutsche gestiegen war, Zuversicht. Er bat ihn um Verschwiegenheit. Dann ersuchte er den Rabbiner, in den jüdischen Gemeinden festzustellen, ob in der letzten Zeit junge Mädchen verschwunden seien.

    »Junge Mädchen? Sind die nicht ganz versessen darauf, dem erstbesten Cavaliere hinterherzulaufen?«, fragte eine Stimme mit hartem Akzent von der Tür aus. Der Hilfsauditor drehte sich um. Dort stand ein Mann in Prosperos Alter, der sie belauscht hatte und der ihn nun aus seinen stahlblauen Augen mit unverhohlenem Spott betrachtete. Seine Haltung drückte Stolz aus. Das Gesicht war scharf geschnitten, die Haare tiefschwarz. Ohne den heiseren, fast bellenden Akzent hätte er den Fremden für einen Spanier gehalten.
    »Entschuldigung, Tranquillo, wenn ich so indiskret bin und störe. Aber die Neugier, den berühmten Prospero Lambertini kennenzulernen, besiegt einfach meine gute Erziehung. Sie sind also der große Held, dem alle hier zu Dank verpflichtet sind? Ein zweiter Moses sozusagen.«
    Prospero spürte den verletzenden Hohn. Corcos, dem der Unterton nicht entgangen sein konnte, lächelte nachsichtig.
    »Darf ich vorstellen, der zukünftige Ehemann meiner Tochter. David von Fünen aus Prag.«
    Prospero Lambertini begann zu verstehen, wie sein Freund Valenti mit Deborahs Verlobtem in Streit geraten sein konnte, und er spürte, wie seine Neigung, das Duell zu verhindern, sich rapide verminderte.
    »Mit Verlaub, Sie haben meine Frage nicht beantwortet«, hakte der Prager jetzt nach.
    »Mit Verlaub, es ist kein Thema, das ich mit Ihnen zu erörtern gedenke«, gab Prospero knapp zurück.
    »Schade, ich wollte Ihnen nur meine Hilfe anbieten.«
    »Wenn ich sie benötigen sollte, sind Sie der Erste, der es erfährt. Versprochen.«
    »Warum so gereizt? Sie wurden mir als...«, er machte
eine kleine Pause, bevor er das Wort mit ironischer Betonung aussprach, »... fleißig und...«, wieder legte er eine kleine Unterbrechung ein, bevor er abwertend hinzufügte, »... umgänglich geschildert.« Seine Augen glänzten voll dämonischer Freude. »Es ist doch nichts Persönliches zwischen uns? Das würde mir nämlich sehr leidtun, wenn ich mit irgendetwas, dessen ich mir nicht bewusst bin, Prospero Lambertini, den Retter der römischen Juden, verärgert habe.«
    Prospero lächelte schief und sah den Rabbiner bittend an. Er war zu müde und zu verletzt für einen Hahnenkampf. Corcos verstand sofort und wandte sich an seinen künftigen Schwiegersohn.
    »Bitte, David, lass uns allein. Ich habe mit Dottore Lambertini zu reden.«
    »Na, Hochwürden, wenn Sie meiner bedürfen, erkundigen Sie sich bei meiner Braut. Deborah weiß, wo

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