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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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rieb den Schlaf aus den Augen. Der Knabe war offenbar weitergezogen, denn seine Stimme hallte nur noch leise nach, bis Prospero sie gar nicht mehr vernahm.
    Erleichtert dachte er: Gott sei’s gedankt, der Karneval ist vorbei!, und wollte den Tag wie jeden Morgen mit der Laudes beginnen, die er in der Kirche Santa Maria in Trastevere zu feiern gedachte.
    Erst dann wurde er sich der grellen Sonnenstrahlen bewusst, die ihre Finger durch sein Fenster streckten. Der Helligkeit nach zu urteilen, musste es fast Mittag sein. Der Glockenschlag, der aus dem Campanile von Santa Maria fast vorwurfsvoll zu ihm herüberschwoll, bestätigte ihm, dass es für das Morgengebet in der Tat viel zu spät war.
    Er wertete das als schlechtes Omen. Offensichtlich genügte es bereits, nur einmal Deborah zu sehen, und seine mühsam erkämpfte Balance zersprang in tausend Splitter, die sich niemals vollständig auffinden und wieder zusammenfügen ließen. Vorbei - was für ein dummes Wort. Es
war niemals vorbei. Sie würde einen Mann heiraten, den sie vielleicht nicht liebte, und er durfte sein Leben lang den Wünschen der Päpste zu Willen sein, die aus unterschiedlichsten Gründen Menschen zur Ehre der Altäre zu erheben begehrten. Und er, Lambertini, war verpflichtet, ihnen die Rechtfertigung dafür zu liefern. Wie hatte doch Albani gesagt: Sie wird heiliggesprochen. Basta! Auch wenn sie eine große Sünderin sein sollte, ergänzte Prospero in Gedanken angeekelt. Sollte sich doch Gott im Paradies mit ihr herumplagen. Was kümmerte das den Albani-Papst? Wenn er eines Tages zum Herrn heimging, war die Causa Bartaszoly so oder so erledigt. Mit Gott, mit Glaube und Überzeugungen, hatte all dies doch herzlich wenig zu tun, vielmehr mit skrupellosem politischem Kalkül. Papst Gregor VII., so hatte Prospero es im Studium gelernt, deklarierte, dass das Amt den Mann heiligen würde. Es fiel ihm schwer, dem mittelalterlichen Pontifex zu glauben.
    Alle Aufgaben, die dringend auf Erledigung harrten, widerten ihn jetzt so unsäglich an. Warum er? Was wollten sie ausgerechnet von ihm? Allmählich gewann der Gedanke, einfach den Bettel hinzuwerfen und etwas völlig Neues anzufangen, in ihm die Oberhand. Warum eigentlich nicht? Wie hatte Spigola gesagt? Der Dienst in der Kurie hat noch jeden verändert. Wollte er sich denn tatsächlich verbiegen lassen? Und sich womöglich dadurch von Gott entfernen? Er wagte nicht, dem Gedanken bis zum Ende zu folgen, weil dort die Schlussfolgerung lauerte, dass die Kirche unter Umständen ein gottloser Ort sein konnte - und das war eindeutig Ketzerei.
    Die Grübelei führte zu nichts. Er fühlte, dass ihm die Herrschaft über seinen Tag unaufhaltsam entglitt. Und er wunderte sich darüber, dass er dieses Gefühl seltsamerweise
genoss. Einem plötzlichen Impuls folgend stieg er in die graue Hose, die er manchmal in seiner Studienzeit getragen hatte, als er noch kein Priester war. Sie passte, obwohl sie schon ein wenig in der Hüfte zwickte. Caprara lud ihn entschieden zu oft ins La Grassa ein. Und La Grassa bedeutete nicht umsonst »die Fette«. So lautete wegen der guten und reichlichen Küche der liebevoll-spöttische Spitzname für ihre Heimat, die Emilia Romagna. In die Hose stopfte Prospero ein blaues Hemd, und zu guter Letzt warf er sich einen alten Justarcorps über.
    Er sah jetzt aus wie ein Notarsgehilfe aus Bologna und erinnerte in nichts mehr an einen Priester und Hilfsauditor der Sancta Rota Romana. Nur eines trieb ihn noch an: All das zu vergessen, was man von ihm verlangte. Und wenn er es endlich aus seiner Erinnerung ausgestrichen hätte, dann würde er darüber nachdenken, was er mit seinem Leben anzufangen gedachte.
    Dieses Gefühl, das ihn so heftig aufatmen ließ und zugleich erschreckte, war das etwa die Freiheit? Die Freiheit versteht nicht, wer in ihr geboren wird. Solange er denken konnte, zumindest seit er seinen Vater verloren, die Mutter wieder geheiratet und ihn ins Internat gesteckt hatte, glaubte er felsenfest daran, dass seine geliebte Familie in der Alleinseligmachenden Kirche bestand, dass er in ihr seine wahre Mutter besaß, weil sie sich um ihn gekümmert, ihn genährt und gebildet hatte. Aber woher wollte er das eigentlich wissen? Er hatte doch noch nichts anderes ausprobiert. Sein Leben war seit seinem Eintritt ins Internat geradlinig verlaufen. Aber hatte das vielleicht nur an einem Mangel an Alternativen gelegen?
    Ziellos betrat er die Straße und genoss es auf eine

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