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Und stehe auf von den Toten - Roman

Titel: Und stehe auf von den Toten - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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gelten.
    Der Hilfsauditor ging noch einmal zu Hause vorbei, um wieder seine gewöhnliche Kleidung im Stil eines französischen Abbes anzulegen. Der kurze Urlaub, den er von seinem Dasein als Dottore Prospero Lambertini, Mitarbeiter der Rota, genommen hatte, war mit dem erfrischenden Bad beendet. Er hatte begriffen, dass er sich in dieser schwierigen Situation keinerlei Selbstmitleid und Selbstzweifel leisten durfte.
    Wenig später saß er bereits im Archiv der Ritenkongregation im Quirinalpalast. Der alte Archivar, ein dürres Männchen voller Misstrauen gegen alles und jedermann, hatte den fleißigen Hilfsauditor im Laufe seiner vielen Besuche im Archiv in sein Herz geschlossen. Diesmal benötigte er nur zwei Gänge, um alle Akten der Causa Bartaszoly vor Prospero auszubreiten.

    »Mehr nicht?«
    »Das ist alles, Dottore. Aber seien Sie froh. Eine schnelle und eindeutige Angelegenheit, wenn so wenig zum Prüfen vorliegt«, tröstete der Archivar.
    »Im Gegenteil, Verehrtester. Umso weniger Akten da sind, umso mehr Arbeit steht uns bevor.«
    Der Archivar zuckte bedauernd die Achseln und zog sich fast lautlos zurück ins Zentrum seines Reiches aus den zu Papier gewordenen Spuren der Hoffnung und der Angst, der Größe und der Schändlichkeit, der Wahrheit und des Betrugs.
    Prospero blickte auf die vier Konvolute und ordnete sie in der Reihenfolge an, in welcher er sie einzusehen plante. Ihm fiel auf, dass sie erstaunlich wenig Staub angesetzt hatten. In der Regel pflegte Papier diesen geradezu magisch anzuziehen. Ein Aktenkonvolut oder ein Buch, das man nicht benutzte, umgab schon nach kurzer Zeit eine äußerst feine Schicht aus Erdpartikeln und verwesten Insektenleichen, eine Schicht, die still und unbemerkt, aber stetig wuchs. Wie eine Hülle überzog sie das Objekt völlig gleichmäßig. Velloni nannte deshalb auch den Staub die Haut der Zeit.
    Misstrauisch geworden schlug Prospero nach. Der Prozess der Seligsprechung war 1630 eingeleitet worden und fand bereits 1633 seinen Abschluss. Papst war damals Urban VIII. Barberini. Zu dieser Zeit tobte der Große Krieg, der dreißig Jahre Tod und Verwüstung über Mitteleuropa gebracht hatte.
    Eins stand fest: Diese Akten hatten nicht unberührt über fünfzig Jahre im Archiv gelegen. Nicht einmal zehn, nicht einmal fünf Jahre, der Staubschicht nach zu urteilen. Nachdenklich erhob Prospero sich und trottete durch den kleinen Gang, an dessen Ende sich das Zimmers des Archivars
befand. Immer noch in Gedanken versunken klopfte er an die geöffnete Tür. Der Archivar sah fragend von seiner Lektüre auf.
    »Entschuldigung, Verehrtester, aber wann wurden denn die Akten das letzte Mal benutzt?«
    Der Archivar schaute in seinem Benutzerbuch nach, da er aber keinen Eintrag fand, nahm er das vorangegangene und schließlich das davor. Endlich flitzte über seinen verkniffenen Mund die Andeutung eines Lächelns.
    »1633.«
    »Seit der Seligsprechung hat also niemand mehr die Akten entliehen? Sind Sie sicher?«
    »Wenn Elisabeth von Bartaszoly Anno Domini 1633 seliggesprochen wurde, dann ist es so«, bestätigte der Archivar keinen Widerspruch duldend, denn seine Registratur war für ihn über jeden Zweifel erhaben.
    Prospero bat den Bewahrer der Akten, ihn in den Arbeitsraum zu begleiten. »Sie sind der beste Archivar, den ich kenne, ein Fachmann. Der Schutzengel der Notizen und Memoranden, der Relationen und Urteile.« Er sah dem Archivar an, dass dieser sich geschmeichelt fühlte, wenngleich er das hinter seinem gleichgültigen Gesichtsausdruck zu verbergen suchte. Aber Prospero kannte die Psyche der Bibliothekare, die tagaus, tagein mit ihrer stummen Klientel verbrachten und die im tiefsten Grunde ihrer Seele darunter litten, dass niemand zu würdigen verstand, in welch stetem Kleinkrieg sie ihr wehrloses Gut gegen Schmutzfinken, Achtlose, Diebe und Grobiane beschützten. Wer außer ihnen wusste denn, dass die Akten und Bücher, die Konvolute und Codizes eine Seele besaßen, zudem noch eine höchst verletzliche? Sie liebten diese mit Tinte auf Papier gebannte Form des Wissens um ihrer selbst
willen, nicht weil sie irgendeinen Nutzen daraus zu ziehen trachteten. Deshalb fuhr Prospero in der gleichen Weise fort, weil er den Archivar achtete und weil er seine Hilfe dringend benötigte. »Wer könnte Ihnen etwas vormachen? Ich sage es ohne jede Schmeichelei: Niemand! Was denken Sie, wie lange standen diese Akten unbenutzt im Regal?« Er wies mit dem Zeigefinger auf die

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